Warnung vor der »Verharmlosung« von AfD und Co.

Leggewie: »Wir haben es mit völkisch-autoritären Nationalisten zu tun«

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie warnt vor einer Verharmlosung rechter Bewegungen in Europa. »Die Bezeichnung 'Rechtspopulisten' ist eher eine Verharmlosung. Wir haben es überwiegend mit völkisch-autoritären Nationalisten zu tun«, erklärte der Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen. Populistische Strömungen müssten näher qualifiziert werden. »Es gab Euroskeptiker, Steuerrebellen, Sozialstaatskritiker und Wohlstandschauvinisten, die nannte man damals schon Populisten. Was wir im Moment erleben geht ja weit darüber hinaus.«

Zu beobachten seien derzeit »autoritäre, antidemokratische Positionen und eine Definition des Volks als völkische Gemeinschaft«, so Leggewie weiter. Zudem handele es sich um Nationalisten, »die gegen Globalisierung und supranationale Gemeinschaften wie die EU und überhaupt gegen globale und regionale Kooperation sind.« Zwar beteiligten sich rechte Parteien formal am demokratischen Wettbewerb, indem sie sich zur Wahl stellen. »Ihr Ziel ist es aber, die Demokratie zumindest zu modifizieren und die Gewaltenteilung einzuschränken«, sagte Leggewie. »Sie möchten die Demokratie in Richtung einer plebiszitären Demokratie erweitern. Das Volk soll alles selbst entscheiden, da es angeblich besser als die Eliten weiß, was zu tun ist. Insofern sind sie pro forma sogar für eine Erweiterung der Demokratie«, erläutert der Politikwissenschaftler. »Aber hier zeigt sich die Ambivalenz solcher Plebiszite: Sie wollen Referenden systematisch nutzen, um eine antidemokratische Agenda durchzusetzen.«

Eine neue Erscheinung sieht Leggewie in den zur Zeit bei Wahlen erfolgreichen Parteien wie AfD derzeit aber nicht. »Wir haben diese Welle seit den 70ern. Das ist absolut kein neues Phänomen.« Es habe auch in Deutschland immer wieder rechte Strömungen gegeben wie die Republikaner. »Der Unterschied ist, dass die Parteiensysteme heute sehr viel instabiler sind und dass die Bindung von Wählern an die Parteien sehr stark abgenommen hat.« Es gebe seit Jahrzehnten überall auf der Welt eine wachsende Entfremdung von den politischen Eliten: »Das ist ein Volksaufstand, den wir erleben, und er hat schon vor 30 Jahren begonnen.«

Eine akute Bedrohung für die Demokratie in Europa stellt der Aufstieg der Rechtspopulisten nach Einschätzung Leggewie jedoch nicht dar: »Die autoritäre Welle hat wohl ihren Höhepunkt erreicht.« Geert Wilders habe zwar Chancen, die Wahl in den Niederlanden zu gewinnen, ihm werde es aber nicht gelingen, eine Regierung zu bilden. In Österreich habe der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer die Stichwahl um das Präsidentenamt verloren. Auch in Frankreich werde es wohl nicht zu einem Wahlsieg von Marine Le Pen reichen. Stattdessen rechnet Leggewie mit einem Erfolg des unabhängigen Kandidaten Emmanuel Macron. AFP/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -