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G20 fährt die Menschheit mit »Wachstum« an die Wand
Die Kämpfe für eine solidarische Ökonomie finden während des Gipfeltreffens in Hamburg ihren Ausdruck in einer Hafen-Aktion
Um gegen den »Wachstums«-Wahnsinn ein Zeichen zu setzen, organisieren Klimaaktivist*innen während des G20-Gipfels am 7. Juli eine massenhaft-widerständige NoG20-Klima-Aktion im Hamburger Hafen.
Wenn viele einzelne Bewegungen und Spektren in gemeinsamen oder sich bewusst solidarisch ergänzenden Kämpfen zusammenkommen, dabei gegenseitig voneinander lernen und Stück für Stück eine gemeinsame Vision und Erzählung entwickeln - dann können wir miteinander einiges erreichen. Dafür ist der G20-Gipfel in Hamburg eine Chance.
Als Teil der vielstimmigen Gesamtchoreografie wird es auch eine massenhaft-widerständige Klima-Aktion geben. Im Brennpunkt Hamburger Hafen werden wir uns der dortigen alltäglichen Zerstörung von Lebensgrundlagen in den Weg stellen.
Auf der Aktionskonferenz im Dezember 2016 hat sich die NoG20-Klima-Aktion zusammengefunden und seither die Arbeit für den Juli 2017 aufgenommen. Wir freuen uns sehr über weitere Mitstreitende, die sich in diesen Prozess einbringen. Bei der nächsten Aktionskonferenz am 8./9. April in Hamburg gibt es die Gelegenheit, uns kennenzulernen.
Exponentiell rigoros rücksichtsloser
Bei allen Differenzen sind sich die Regierungen der G20 in einem Punkt einig: Die kapitalistische Profitmaschine muss am Laufen gehalten werden - koste es was es wolle, selbst wenn es die Zukunft der Menschheit ist. Wie üblich verkaufen sie dies mit dem gezielt irreführenden Begriff »Wachstum«.
Kapitalistisches »Wachstum« ist nicht abstrakt, sondern findet in der realen stofflichen Welt statt. Es verläuft exponentiell – immer schneller und schneller. Das führt bei beispielsweise drei Prozent jährlicher globaler Kapitalexpansion innerhalb von gerade mal 23 Jahren zu einer Verdoppelung der Gesamtkapitalmenge, die sich dann entsprechend weiter verwerten will. Dieses erfolgt durch Arbeit von Menschen mit begrenzt leidensfähigen Körpern und Seelen auf einem sich nicht aufblähenden, sondern begrenzten Planeten mit begrenzten Schadstoffsenken und Basisressourcen wie z.B. Wasser, Ackerböden, Wäldern. Folgen dieses Widerspruchs sind u.a. der Klimawandel und die Krise der Reproduktion. Auch ein »grüner« Kapitalismus unterläge weiterhin dem Wachstumszwang mit entsprechend steigendem Ressourcenverbrauch.
Kapitalistisches Wachstum begünstigt die Reichen zulasten der Arm-Gemachten. Es geschieht durch Eroberung zuvor nicht kapitalistisch beherrschter Bereiche, in Form von Extraprofiten durch Mono- bzw. Oligopole oder in der Konkurrenz des Marktes - gemäß dem angeblichen »Recht« der Größeren, Stärkeren, rigoros Rücksichtsloseren. Es geht einher mit Hauen und Stechen, Ausbeutung und Ausschlüssen, Panzern und Bomben, »Freihandels«-Verträgen bzw. Protektionismus, etc.
Expansion - Ungleichheit - Kollaps - Showbiz - Zukunft
Die kapitalistische Expansion hat sich von Europa aus in fünf Jahrhunderten über den Planeten ausgebreitet. Von diesem Wachstum haben - wenn auch höchst ungleich - große Teile der Bevölkerungen des globalen Nordens materiell in der Summe signifikant profitiert. Im globalen Süden hingegen hinterließ der europäisch-kapitalistische Raubzug eine tiefe Spur von Völkermord, Versklavung, Plünderung sowie die extraktivistische Degradierung vieler Länder zu bloßen Rohstofflieferanten. Die damit einhergehende brutale, zutiefst anti-demokratische soziale Ungleichheit hat heute ein beispiellos extremes Maß erreicht: Acht einzelne Männer besitzen mehr als die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung.
Zugleich steuert der Kapitalismus die Menschheit - bzw. zunächst den globalen Süden, der bisher viel stärker betroffen ist - auf einen umfassenden ökologischen Kollaps zu:
• schon heute vollzieht sich die Überschreitung einiger Kipppunkte im globalen Klimasystem (z.B. Auftauen von zuvor Sonnenlicht reflektierenden Eisflächen, dadurch weitere Erwärmung);
• schon heute kommt es aufgrund des Klimawandels deutlich häufiger zu heftigeren Extremwetterereignissen, wodurch Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen zerstört werden;
• schon heute haben die globalen Zerstörungen u.a. von Biodiversität, Süßwasservorkommen, Ackerböden, Wäldern und ozeanischen Ökosystemen alarmierende Dimensionen erreicht.
Es gehört in dieser Situation ein enormes Maß an Illusionen, Verdrängung, Gleichgültigkeit, Ignoranz, Lügen, »alternativen Fakten« und Showbiz dazu, nach wie vor zu behaupten, kapitalistisches Wachstum könne in größerem Umfang die globale Armut tragfähig aufheben.
Eine menschliche Zukunft, die diesen Namen verdient, wird es nur geben, wenn Kapitalismus und alle weiteren Herrschaftsformen so schnell wie möglich überwunden werden. Nur dann werden wir gemeinsam eine solidarische Ökonomie organisieren können, die nicht zwecks räumlich-zeitlicher Krisenverschiebung darauf angewiesen ist, unendlich zu expandieren. Nur dann werden wir die dringliche Umverteilung materieller Güter sowie die ebenso dringliche sozial-ökologische Transformation unserer Produktions- und Lebensweisen hinbekommen. Und nur dann werden wir die lebendige Vielfalt menschlicher Kulturen und Wissenschaften nutzen können, um trotz gravierender Folgen u.a. des Klimawandels ein gutes Leben für alle einschließlich kommender Generationen zu realisieren.
Kontakt: klima.ag@g20hamburg.org
Weitere Beiträge aus unserer nd-Reihe zum G20-Gipfel:
- »Hoffnung entsteht aus Rebellion« von Emily Laquer und Samuel Decker (Interventionistische Linke)
- »Fünf Gründe, in Hamburg gegen die G20 zu protestieren« von Werner Rätz (attac)
- »G20: Fight the Game, not the players« von TOP B3rlin
- »Frieden und Völkerrecht statt globalisierte NATO« von Karl-Heinz Peil, Bundesausschuss Friedensratschlag
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