AfD-Wahlkampf mit chinesischer Kohlekraft

Warum ein Foto auf der Website der Rechtspartei ein Hinweis für deren unglaubwürdige Klima- und Energiepolitik ist

  • Eva Bulling-Schröter
  • Lesedauer: 5 Min.

Dass die »Alternative für Deutschland« gerne mal Flaggen anderer Nationen verwechselt, nur weil da ein Halbmond prangt, diese Ignoranz von Frauke Petry ist zum Kopfschütteln. Dass der Thüringer AfD-Chef Höcke Hitler gar nicht so schlimm findet, weil es »in der Geschichte kein Schwarz und Weiß gibt«, sondern »viele Grautöne«, das ist schlimm. Dass die AfD den Klimawandel entgegen dem Wissen der gesamten Wissenschaft für ein Verschwörungsmachwerk hält, um in Deutschland eine »große Transformation der Gesellschaft« voranzutreiben, ist unglaublich. Dass die Neurechten für die Zukunft ihrer Energiepolitik allerdings mit einem der dreckigsten Kohlekraftwerke der Erde werben, also das ist einfach nur noch dumm.

Auf der AfD-Webseite firmiert das Thema »Energie« unter dem Slogan: »Die AfD sagt ‘Ja zum Umweltschutz’, macht aber Schluss mit der ‘Klimaschutzpolitik’.« Leider keine Fake News: Klimaschutzpolitik schreibt die Partei im Jahr zwei nach dem globalen Klimaschutzabkommen von Paris tatsächlich in Anführungszeichen. Über dem Forderungskatalog - mehr Kohle, Fracking in Deutschland und zurück zur Atomkraft (ein wahrer Wunschkatalog der fossil-atomaren Industrielobbys) - prangt ein Foto ohne Bildunterschrift, eine in warm-leuchtendes Licht getauchte Industrieanlage. Eine Inselkette schmiegt sich in einen tropischen Sonnenuntergang. Die Natur harmoniert idyllisch mit den zwei schlanken Schornsteinen, Baumgrün im Vordergrund, bläulicher Abendhimmel. Strom aus Kohle? Kein Problem, ist die Message an die Klientel. Doch hätten die »Blauen«, wie schon beim Fahnenfauxpas oder anderen Rassismusausfällen (Boateng und Gauland), nicht nach Farben, sondern nach Inhalt gehen sollen.

Eine kurze Recherche zeigt schnell: Die AfD rührt die Werbetrommel für eine alternative Energiezukunft mit dem Uralt-Kohlekraftwerk »Castle Peak Power Station«. Mit 1408 Megawatt Leistung ist es eine der größten Dreckschleudern der Welt. Standort: Hong Kong, China. Gebaut 1982, liefert Castle Peak wegen seines geringen Wirkungsgrades mit einer der ineffizientesten Formen der Energiegewinnung überhaupt Strom. Während Großverbraucher, wie auf dem Foto das Zementwerk nebenan, die Energie verbilligt bekommen, zahlt der Kleinverbraucher ordentlich drauf und löhnt für die Unternehmensgewinne mit, demonstrierte etwa Greenpeace gegen das Kohlegeschäftsmodell der Betreiberfirmen. Wie in China zahlt auch in Deutschland »der kleine Mann« die Stromrechnung für die Großindustrie, durch Industrieprivilegien jedes Jahr rund 7,7 Milliarden Euro. Machen die Petrys und Höckes Stimmung dagegen, dass die Bundesländer vom Bund 2016 bis 2018 insgesamt sieben Milliarden Euro zusätzlich für Integration von Flüchtlingen erhalten, ist bei den Energie-Industriegeschenken von der AfD kein Aufschrei zu hören.

Knapp die Hälfte der Kohle für Castle Peak kommt per Schiff aus Indonesien, wo Mensch und Regenwald den Kohletagebauen weichen müssen. Zur Lage beim fünftgrößten Kohleproduzenten weltweit schreibt die Schweizer Menschenrechtsorganisation »Human Right«: Polizei- und Sicherheitskräften werden exzessive Gewalt, Folter und Missbrauch vorgeworfen. Religiöse Minderheiten (darunter Bahai, Christen und Schiiten) leiden vermehrt unter Einschüchterungen und physischen Übergriffen. Zudem leiden Angehörige religiöser Minderheiten und Atheisten/-innen unter staatlicher Repression und Diskriminierung infolge eines rigorosen Gesetzes gegen Blasphemie. In der Provinz Aceh trat 2015 ein neues islamisches Strafgesetzbuch in Kraft, das beispielsweise für gleichgeschlechtliche Paare, uneheliche Beziehungen, Alkoholkonsum und Glücksspiele Prügelstrafen vorsieht. In den Regionen Papua und West Papua kommt es immer wieder zu willkürlichen und rechtswidrigen Tötungen durch die Militärkräfte, welche dafür nur selten strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Bei friedlichen Protesten werden Personen willkürlich festgenommen. Die Haftbedingungen in Indonesien sind überaus streng. Indonesien kennt weiterhin die Todesstrafe, unter anderem auch bei Drogendelikten. Weitere Problemfelder sind die Beschränkungen der Meinungsfreiheit, das Wegsperren von behinderten Personen und die fehlenden Hilfeleistungen für gestrandete Flüchtlinge aus Burma. Mehrere Bräuche und Gesetze diskriminieren Frauen. Immer wieder gibt es Unfälle in Kohlekraftwerken, von den regelmäßigen Kohlebergwerks-Tragödien mit Dutzenden Toten ganz zu schweigen. Erst Ende Februar dieses Jahres starb in Castle Peak wieder ein Kraftwerksmitarbeiter, als Tonnen heiße Asche auf ihn niedergingen, schreiben Lokalnachrichten.

Fakt ist: Kohle ist schlecht fürs Klima. Kohle ist schlecht für Demokratie, Menschenrechte und schlecht für die Gesundheit. Und teuer, weil die fossile Energieform die größten Subventionen aus Steuergeldern überhaupt erhalten, weltweit 5,3 Billionen Dollar, Jahr für Jahr. Die AfD wirbt mit einer Dreckschleuder für Umweltschutz, das kann man getrost als lächerlich bezeichnen. Doch spricht der Missgriff auch Bände: Mit ihrer »erfolgreichen Energiepolitik« von gestern verkohlt die AfD auch ihre Wählerinnen und Wähler. Europaweit führt die Verstromung von Kohle zu 22.900 vorzeitigen Todesfällen, in Deutschland rund 4500. Zehntausende von Herz- und Lungenkrankheitsfällen und bis zu 62,3 Milliarden Euro an Gesundheitskosten fallen an, rechnet eine WWF-Studie von 2016 vor. Kohle ist rückwärtsgewandt und ohne Zukunft, ein Jobkiller, schaut man sich die jüngsten Entlassungsankündigungen bei Eon an. Oder hat man in der blauen Wahlkampfzentrale das Foto ganz bewusst ausgesucht? Auch das wäre daneben, längst hat man in Peking die Zeichen der Zeit erkannt und treibt die Energiewende massiv voran. Für Klimaschutzpolitik, ganz ohne Anführungszeichen.

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