Kontinuum
Personalie
Wer Bahnchef werden will, muss längst nicht mehr »Stallgeruch« mitbringen, das Rad-Schiene-System verinnerlicht und sich »von der Pike auf« hochgearbeitet haben. Vor allem seit der Gründung der Deutschen Bahn AG 1994 ist dies so: Auf den Industriellen und Autolobbyisten Heinz Dürr folgten der Luftfahrtmanager Hartmut Mehdorn und Ex-Daimler-Vorstand Rüdiger Grube.
Auch Richard Lutz, der aller Voraussicht nach in der nächsten Woche vom Aufsichtsrat als neuer Bahnchef bestätigt wird, ist von Haus aus kein Eisenbahner mit technischen Kenntnissen. Wenn Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) dem 52-Jährigen »Universalerfahrung bei der Deutschen Bahn« bescheinigt, ist dies der Tatsache geschuldet, dass der gebürtige Pfälzer und dreifache Familienvater bereits seit 23 Jahren bei der DB beschäftigt ist. Das hebt sich vom Job-Hopping der vielen »Yuppies« ab, für die das Bahnmanagement nur eine Durchgangsstation auf dem Karriereweg war und ist.
Als promovierter Betriebswirt kam Lutz 1994 mit 30 von der Uni Kaiserslautern in die Frankfurter Bahnzentrale. Er war lange im Konzerncontrolling tätig, arbeitete sich als Vertrauter von Finanzchef Diethelm Sack nach oben und rückte 2010 als dessen Nachfolger in den DB-Vorstand auf.
Bei der Aufspaltung in profitable Tochterbetriebe, dem munteren Kauf und Verkauf von Betriebsteilen sowie der Ummodelung bundeseigenen Schienenverkehrsunternehmens in einen Global Player der Logistikbranche war Lutz eine treibende Kraft. Dabei wurde 1999 auch das traditionsreiche Ausbesserungswerk in Kaiserslautern, in dem sein früh verstorbener Vater gearbeitet hatte, privatisiert - es hat seither mehrere Eigentümerwechsel erlebt. Lutz steht für eine renditeorientierte Finanzholding, die, bisher vergeblich, den Börsengang anstrebte, für das umstrittene Megaprojekt Stuttgart 21, eine Vernachlässigung der Infrastruktur, für Kaputtsparen um der Börsenfähigkeit willen. Insofern verkörpert der passionierte Schachspieler Kontinuität in der Chefetage des Berliner Bahntowers.
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