Gabriel fordert von Griechen weitere Reformen

Außenminister zu Antrittsbesuch in Athen / Regierung fordert Änderungen der EU-Abschlusserklärung von Rom und mehr Hilfen

  • Guido Speckmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Lachend, Arm in Arm mit dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras: Dieses Bild postete Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) am Mittwochabend auf seinen Twitter-Account. Dazu der Text: »Deutschland steht an der Seite Griechenlands. Respekt vor Leistung der griechischen Politik und Bevölkerung.«

Während seines zweitägigen Antrittsbesuchs in Griechenland hat der neue Außenminister die Reformen der linken SYRIZA-Regierung gewürdigt und sie mit der Agenda 2010 verglichen. »Verglichen mit Griechenland waren diese Reformen, die wir gemacht haben, vielleicht ein lauer Sommerwind«, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch bei einem Gespräch mit Ministerpräsident Alexis Tsipras zur Agenda 2010, die von dem sozialdemokratischen Kanzler Gerhard Schröder durchgesetzt worden war. Die griechischen Anstrengungen zur Bewältigung der Schuldenkrise seien dagegen »wie ein großer Sturm«.

Der Außenminister forderte Tsipras dazu auf, die Verhandlungen mit den Gläubigern über neue Reformschritte im April abzuschließen. Man dürfe nicht zu einer neuen »never ending story« (endlosen Geschichte) kommen, sagte er.

In Griechenland freilich gibt es Widerstand gegen weitere Reformschritte. So will die griechische Regierung Medienberichten zufolge die Abschlusserklärung des EU-Gipfels am Samstag in Rom torpedieren. Mehrere EU-Vertreter sagten laut der Website »Euractiv« die Regierung in Athen wolle die vorgesehene Erklärung, die am Samstag auf dem EU-Treffen in der italienischen Hauptstadt verabschiedet werden soll, in der jetzigen Form nicht mittragen. Das Kalkül: die Zustimmung als Verhandlungsinstrument nutzen, um die europäischen Gläubiger dazu zu bringen, Reformanforderungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) abzuwehren. Als Gegenleistung würden die Griechen dann die Rom-Erklärung, in der es um die Zukunft der EU nach dem Brexit gehen wird, mittragen - sofern Änderungen vorgenommen würden. Konkret fordert die von SYRIZA geführte griechisch Regierung eine explizite Ausweisung des Schutzes von Arbeitern in der Erklärung. In einem griechischen Regierungsdokument heißt es, die Erklärung müsse angereichert werden, um »die Bedeutung des Europäischen Sozialmodells hervorzuheben«. Laut einem EU-Vertreter hätten die Griechen um einen »zusätzlichen Absatz über die soziale Dimension« gebeten. »Aber politisch haben sie das an die laufenden Verhandlungen mit den Gläubigern geknüpft«, zitiert »Euractiv« diesen. Ein griechischer Regierungsvertreter sagte, die Regierung in Athen habe nicht vor, die Erklärung zu blockieren. Sie habe nur Vorschläge als Teil eines Dialogs gemacht.

Ein weiterer EU-Gipfel könnte somit durch einen Streit überschattet werden, ähnlich wie beim Gipfel vor kurzem in Brüssel, als sich Polen aufgrund der Wiederwahl des EU-Ratspräsidenten Donald Tusk weigerte, die Abschlusserklärung mitzutragen.

In Athen äußerte sich Außenminister Gabriel am Donnerstag auch zu einer Äußerung des Eurogruppenchefs Jeroen Dijsselbloem, die in Griechenland für Empörung gesorgt hatte. Dieser hatte mit Blick auf EU-Kreditprogramme für die südlichen EU-Krisenländer gesagt: »Ich kann nicht mein ganzes Geld für Schnaps und Frauen ausgeben und anschließend Sie um Ihre Unterstützung bitten.« Gabriel nannte das eine »unglaubliche Formulierung«. Und weiter: »Die Tatsache, dass Politiker auch mal Unsinn erzählen, ist noch kein Beweis dafür, dass die europäische Idee nicht funktioniert.«

Einen Beweis dafür, dass Deutschland nicht europäisch denke, sieht der griechische Außenminister Nikos Kotzias in der deutschen Flüchtlingspolitik. Vor dem Gabriel-Besuch sagte er der »Welt«: »Ich sehe nicht, dass Griechenland die Kapazitäten und die finanziellen Mittel hat, Flüchtlinge aufzunehmen, die aus den nördlichen EU-Ländern zurückgeschickt werden«, so Kotzias. Die griechische Regierung lehne eine Rücknahme von Flüchtlingen aus Deutschland ab. Hintergrund seiner Äußerung ist ein Vorschlag der EU-Kommission, die sogenannten Dublin-Regeln ab dem 15. März dieses Jahres wieder auf Griechenland anzuwenden. Die Regeln sehen vor, dass ein Flüchtling in dem Land das Asylverfahren durchlaufen muss, wo er erstmals europäischen Boden betreten hat.

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