Jung, studierend, sucht
Bis 2020 sollen tausende Wohnheimplätze entstehen - die Appartements sind heiß begehrt
»Die ersten Wochen habe ich in Hostels gewohnt, dann in zwei WGs«, sagt Alain Garcia. Das ständige Umziehen habe genervt. Ohne regelmäßiges Einkommen bekomme man in Berlin einfach keine Wohnung. »Nach einem halben Jahr Wartezeit habe ich aber endlich einen Platz im Wohnheim bekommen«, sagt Garcia. Der Student wohnt in der Unterkunft des Studentenwerks am Franz-Mehring-Platz in Friedrichshain.
»Die Miete für ein 15 Quadratmeter großes Zimmer beträgt ungefähr 220 Euro«, sagt Jürgen Morgenstern, Sprecher des Berliner Studentenwerks, dem »nd«. »Damit sind wir immer noch vier Euro unter dem dafür vorgesehenen BAföG-Satz. Für das kommende Sommersemester stehen über 3000 Menschen auf unserer Warteliste und wir sind voll«. Rund 9500 der circa 180 000 Berliner Studierenden leben in den Unterkünften der Institution.
Das sind im Vergleich zu anderen Städten zu wenige, befand seinerzeit der ehemalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Im April 2013 verkündete er den Bau von 5000 neuen Studentenunterkünften. Zwei Jahre später wurde der Plan geändert. Das von Wowereit als Partner für den Neubau angestrebte Studentenwerk war bei der Bauinitiative weitestgehend leer ausgegangen.
Finanziert aus Rücklagen saniert und erweitert das Studentenwerk in der Charlottenburger Mollwitzstraße seine Altbestände auf eigene Kosten. »Es sollen auch noch 200 neue Plätze im Dauerwaldweg in Charlottenburg entstehen«, sagt Morgenstern weiter. Neben den normalen Senatszulagen für die Aufrechterhaltung des Betriebs finanziert sich das Studentenwerk aus den Gebühren der Studierenden und eigenen wirtschaftlichen Einnahmen durch Mensen und Miete. Als Anstalt des öffentlichen Rechts blieb es ihm durch den Senat und die alte Koalition verwehrt, Kredite für Bauprojekte aufzunehmen.
Anstelle des Studentenwerks wurde das landeseigene Wohnungsunternehmen berlinovo mit dem Bau von Wohnheimen beauftragt. »Studenten denken nicht so sehr in Quadratmetern, sondern in Budgets«, bewarb der berlinovo-Chef Roland Stauber seinerzeit das Angebot der Firma. Bis 2020 will das Unternehmen 2500 Einzelappartments und 300 Gemeinschaftswohnungen errichten. Die erste Wohnanlage wird nun im Mai an der Storkower Straße in Lichtenberg bezogen. Eine 16 Quadratmeter große Wohnung kostet dort rund 350 Euro pro Monat. »Das sind Mikro-Appartements«, sagt berlinovo-Pressesprecher Stefan Siebner dem »nd«. Auf die Frage, ob nur Studierende in den Wohnheimen wohnen werden, erklärt er: »Unter halbjähriger Vorlage der Studienbescheinigung vermieten wir an Studenten zu einem vergünstigten Preis. Kann der Mieter seine Studienbescheinung nicht vorlegen, erhöht sich der Preis wieder.« Doch wenn Nicht-Studierende in den Mikro-Wohnungen zur höheren Miete wohnen, blockieren sie damit die dringend benötigten subventionierten Plätze. Schließlich nimmt die Zahl der Studierenden noch weiter zu. Nach Angaben des Studentenwerks ist die Anzahl der Studierenden zwischen 2015 und 2016 allein um 5000 gewachsen. Das Studentwerk knüpft daher das Unterbringungsverhältnis an den Immatrikulationsnachweis.
Der wissenschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Tobias Schulze, sagt: »Mit der neuen Koalition wollen wir schauen, wo die genauen Probleme liegen. Wir starten einen neuen Anlauf, die Studierendenwerke in Zukunft mehr einzubeziehen. Es kann nicht im Sinne des Senatsprogrammes sein, so viel Miete für so wenig Platz zu fordern. Die Studierendenwerke sollten einen Großteil der Immobilien verwalten.«
Alain Garcia sagt: »Ich bin nach Berlin gekommen, weil die Stadt cool ist und ich mir hier einen besseren Studienabschluss verspreche. Ich will im Wohnheim bleiben, bis ich meinen Bachelor fertig habe.«
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!