Sammelabschiebung nach Kabul
Erneut Afghanen ausgeflogen / Bayerns Innenminister Herrmann: Sicherheitslage lässt Rückführungen zu
»Alles ist besser als Afghanistan«, sagte Hasib Afzali unlängst in seinem Haßfurter Kirchenasyl. Seit Ende Januar lebt der 22-Jährige in der evangelischen Kirche wie in einem Gefängnis, weil er von Abschiebung bedroht ist. Vor sechs Jahren war er aus seiner Heimat geflohen, nachdem er in eine blutige Familienfehde hineingerissen wurde.
Auch er hätte in dem Charterflug sitzen können, der am Montagabend in München abhob. 15 Afghanen waren an Bord - allesamt alleinstehende Männer, betonte das Innenministerium in München. Neben Bayern beteiligten sich auch die Länder Hessen, Hamburg, Brandenburg, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und erstmals Mecklenburg-Vorpommern an der nunmehr vierten Sammelabschiebung.
Seit Dezember wurden nunmehr 92 Männer nach Kabul ausgeflogen. Viele von ihnen lebten bereits seit Jahren in Deutschland, hatten einen Job, wie der 24-jährige Afghane aus Rostock, der am Montag in dem Flieger nach Kabul saß. Dies habe ihn aber nicht vor einer Abschiebung schützen können, da er die vergangenen Jahre nur noch geduldet worden sei, erklärte die Organisation Netzwerk Afghanistan. Auch Afzali arbeitete in München als Baggerfahrer, bevor er ins Kirchenasyl ging. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat erst kürzlich darauf hingewiesen, dass eine Integration sich äußerst schwierig gestalte, wenn Menschen permanent in Angst leben müssten, dass ihr Asylantrag unbegründet abgelehnt werde und sie in ein Kriegsgebiet abgeschoben würden.
Abschiebungen nach Afghanistan sind mehr denn je umstritten, nachdem sich der Konflikt zwischen der Regierung und den islamistischen Taliban in den vergangenen Monaten verschärft hat und es mittlerweile landesweit Gefechte und Anschläge gibt. Mehrere Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligung lehnen es seit geraumer Zeit ab, Menschen nach Afghanistan zurückzuschicken.
Die meisten Abgeschobenen vom Montag sollen aus nicht schwer umkämpften Provinzen stammen, sagte ein Mitarbeiter des Kabuler Flüchtlingsministeriums der Deutschen Presseagentur. »Viele sind aus Kabul, andere aus Pandschir oder Parwan.« Einige kämen allerdings aus unsicheren Provinzen wie Wardak oder Nangarhar.
Trotz einer verschärften Sicherheitslage lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im vergangenen Jahr rund 40 Prozent der afghanischen Asylanträge ab. Rund 25 000 Afghanen sind derzeit von einer Abschiebung bedroht. Die Bundesregierung halte nach wie vor Rückführungen in einzelne Provinzen für möglich, erklärte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Der letzte Bericht zur Sicherheitslage erfolgte allerdings im Oktober 2016. Nur einmal im Jahr erstellt das Auswärtige Amt eine solche Beurteilung.
Zu einer gänzlich anderen Einschätzung kommt das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR), das mittlerweile das ganze Staatsgebiet in Afghanistan als »innerstaatlichen bewaffneten Konflikt« im Sinne des europäischen Flüchtlingsrechts bewertet. Aufgrund einer sich ständig ändernden Sicherheitslage könne man nicht mehr zwischen sicheren und unsicheren Regionen unterscheiden, heißt es in einem UNHCR-Bericht.
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