Ein Jahr, sechs Monate, 22 Tage

Bewährungsstrafe in der Türkei für Fußballer Deniz Naki wegen »Terrorpropaganda«

Es war ein kurzer Prozess: Keine halbe Stunde dauerte die Verhandlung vor dem Gericht im südostanatolischen Diyarbakir, an deren Ende der ehemaligen deutsche U21-Nationalspieler Deniz Naki wegen »Terrorpropaganda« verurteilt wurde. Ein Jahr, sechs Monate und 22 Tage lautet die Strafe für den 27-Jährigen, sie ist zur Bewährung ausgesetzt. Insgesamt beträgt die Bewährungszeit für Naki fünf Jahre, wie sein Anwalt Soran Haldi Mizrak gegenüber Reportern erläuterte. Mizrak nennt den Richterspruch »willkürlich«.

So sehen es auch Nakis Unterstützer. »Fünf Jahre, in denen Naki nicht einmal das Wort Frieden in den Mund nehmen sollte, will er nicht im Gefängnis landen«, klagte Linken-Europapaabgeordneter Fabio de Masi, der als Beobachter zum Revisionsverfahren in die Kurdenmetropole gereist war: »Der politische Druck auf den Richter ist in dem harten Urteil klar erkennbar!« Der Richterspruch vom Donnerstag sei »bedauerlich und absurd«. Schließlich sei Naki bereits im ersten Prozess im November 2016 freigesprochen worden - von dem selben Richter, der Naki nun der Terrorpropaganda schuldig befunden hat. Die Staatsanwaltschaft hatte im Februar Revision beantragt.

Naki, der derzeit beim Drittligisten Amed in Diyarbakir sein Geld verdient, erklärte gegenüber der Bild-Zeitung, er finde das Urteil »natürlich scheiße«. Er wolle aber dem Richter keine Vorwürfe machen. »Die Entscheidung kam von ganz woanders her«, zumindest diese Anspielung auf die politische Justiz in der Türkei unter Präsident Erdogan erlaubte sich Naki. Er werde auch »weiter den Mund aufmachen, wenn ich Menschen Not leiden sehe.«

Auslöser für die Anklage gegen den deutsch-türkischen Kicker kurdischer Abstammung war unter anderem ein Eintrag auf seiner Facebook-Seite im Januar 2016. Damals hatte Amed SK den Erstligisten Bursaspor im Achtelfinale des Pokals besiegt. Naki schrieb auf Facebook, er widme den Sieg jenen, »die bei den Grausamkeiten, die seit über 50 Tagen auf unserem Boden stattfinden, getötet oder verletzt wurden«. Zu dieser Zeit lief seit Monaten die Militäroffensive gegen die PKK in den Kurdengebieten.

Nakis Arbeitgeber, der Drittligist Amed SK gilt als eine Art kurdische Nationalmannschaft: Amed ist der kurdische Name der Stadt Diyarbakir, die Mannschaft läuft in den Farben Kurdistans auf. Und auch im städtischen Seyrantepe-Diski-Stadion machen Fans in Gesängen auf die Opfer der Auseinandersetzungen zwischen Armee und PKK aufmerksam: »Die Kinder sollen nicht sterben, sie sollen zum Fußball gehen!«

Naki sagt, er sehe seine Facebook-Postings und Twitternachrichten weiterhin als Friedensappelle. »Mein Ziel ist es immer, eine Botschaft des Friedens zu verbreiten. Ich bin ein Mensch, der gegen den Krieg ist«, so Naki nach dem Prozess gegenüber »Haberdar.com«. Er sei »traurig« über das Urteil. »Aber das zeigt auch, dass derjenige der im momentanen Zustand des Landes eine Botschaft des Friedens verbreiten will und auf der Seite des Friedens, gegen den Krieg steht, mit solchen Problemen konfrontiert wird.«

Unter den Amed-Fans ist der in Düren geborene Profi längst zum Helden aufgestiegen. Dank Naki darf Amed, der Betriebssportverein der Stadtverwaltung, derzeit sogar noch vom Aufstieg in die zweite Liga träumen. »Amed Sportif Faaliyetler Kulübü« ist Zweiter der »TFF 2. Lig« und Offensivallrounder Naki ihr bester Spieler. Mit 14 Treffern in 30 Spielern liegt Naki auf Rang zwei der Torschützenliste.

In Deutschland ist Naki vor allem seit seiner Zeit beim FC St. Pauli bekannt. Für die Hamburger spielte er 20 Mal in der Bundesliga, bei den Fans am Millerntor gehörte der ungestüme Jungprofi sofort zu den erklärten Publikumslieblingen. Bundesweite Berühmtheit erlangte der Heißsporn 2009 wegen ziemlich unfriedlichen Jubelns: Gegenüber Hansa-Rostock-Fans vollführte er mit dem Zeigefinger er eine Kopf-ab-Geste, wofür ihn der Deutsche Fußball-Bund (DFB) damals für drei Spieltage sperrte und der FC St. Pauli ihn noch dazu zu einer Geldstrafe verdonnerte, die er schließlich an eine Initiative zur Unterstützung von Gewaltopfern spendete.

Zum Profifußballer ausgebildet wurde Naki einst in der Nachwuchsabteilung von Bayer Leverkusen. Von der U17 bis zur U21 spielte Deniz Naki stets auch in der jeweiligen Nationalauswahl des DFB. Naki hat sowohl die türkische als auch die deutsche Staatsbürgerschaft.

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