Der Nandu liebt die Mecklenburger Rapsfelder

Schon mehr als 260 Großvögel tummeln sich im Nordosten - jetzt soll ihre Zahl begrenzt werden, vielleicht auch durch das Einsammeln der Eier

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Sache fing ganz klein an: Nach dem Ausbruch aus einem Privatgehege nahe Lübeck war irgendwann im Herbst des Jahres 2000 drei Hähnen und vier Hennen der Familie Nandu der Grenzübertritt von Schleswig-Holstein nach Mecklenburg-Vorpommern gelungen. In ihrer neuen Heimat zeigten sich die ursprünglich im Osten Südamerikas ansässigen Großvögel dann aber sehr vermehrungsfreudig. Zum Wohlgefallen fotografierender Touristen, zum Leidwesen der Landwirtschaft.

Im März 2016 war die Schar der grau-braunen Tiere im Westen des Bundeslandes auf 150 Exemplare angewachsen, berichtete seinerzeit der Zoologe Frank Philipp, Initiator der Internet-Plattform »nandu.info«. »Langfristig steigend« sei die Population der Tiere, prophezeite der Wissenschaftler - und seine Prognose erweist sich als zutreffend. »Im Biosphärenreservat Schaalsee-Elbe ist aktuell von etwa 266 Nandus auszugehen«, hatte das Agrarministerium bereits Anfang des Jahres mitgeteilt.

Eine Zahl, die vor allem jenen Landwirten Sorge bereitet, die Raps oder Zuckerrüben im Nandu-Revier anbauen. Flächen, auf denen das geschieht, sind für die straußenähnlichen Vögel ein wahres Schlaraffenland. Ruck, zuck haben sie ganze Felder kahl gefressen. So wie es beispielsweise Hans-Friedrich Grube nahe Utecht beobachten musste. Rund 30 000 Euro Schaden waren ihm durch einen Nandu-Überfall auf seinen Raps entstanden. Finanziellen Ausgleich vom Land bekam Grube nicht, denn den gibt es nur für einheimische Fraßvögel. Und dazu wird der Nandu laut behördlicher Liste nicht gezählt.

Die Beschwerden Grubes und zahlreicher Berufskollegen sowie die Stärke der Nandu-Population hatten jüngst Vertreter der Landwirtschaft, der Jäger, des Biosphärenreservats und des Agrarministeriums zu Beratungen in Sachen Vogelfraß zusammengeführt. Ergebnis des Treffens: Noch in diesem Jahr soll damit begonnen werden, die Vermehrung der Tiere zu begrenzen. »Details zum weiteren Vorgehen sind noch abzustimmen«, so eine Sprecherin des Ministeriums gegenüber »nd«. Dem Vernehmen nach wird über zwei Alternativen nachgedacht: Eier einsammeln oder einen Teil des Nandu-Bestandes abschießen. In die Überlegungen zu konkreten Maßnahmen will Agrarminister Till Backhaus (SPD) die Naturschutzverbände einbeziehen.

Die Freigabe der Großvögel zum Abschuss wird seit Jahren aus der Landwirtschaft gefordert, und mehrfach war der Nandu-Ärger auch Thema im Landtag. In Debatten über den Griff zur Flinte hieß es stets: Die Tiere dürfen nicht gejagt werden. Geschützt werden sie auch durch das Washingtoner Artenschutzabkommen. Nur in Ausnahmefällen sei die Tötung erlaubt. Solch ein Fall scheint jetzt gegeben zu sein angesichts des aktuellen Nandu-Bestandes. Rechtlich abgesichert wäre der Abschuss durch das Bundesnaturschutzgesetz. Danach sind »artenschutzrechtliche Ausnahmen« möglich, um erhebliche wirtschaftliche Schäden abzuwenden. Erteilt werden müsste die Ausnahmegenehmigung von Mecklenburg-Vorpommerns Biosphärenreservatsamt.

Sofern das Amt dem Schießen zustimmt - wer legt auf die Tiere an? Private Jäger oder Bedienstete der Forstverwaltungen? Und wer soll die Eier der recht wehrhaften Großvögel einsammeln, falls diesem Verfahren der Vorzug gegeben wird? Zu diesen Fragen werden zurzeit Gespräche geführt, heißt es aus dem Ministerium in Schwerin.

Nandus haben eine Scheitelhöhe von bis zu 1,40 Metern und wiegen bis zu 25 Kilogramm. Auf der Flucht erreichen sie Geschwindigkeiten von bis zu 60 Kilometern pro Stunde.

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