Auch der Klimawandel befeuert Kriege
Eva Bulling-Schröter beschreibt, wie die Erderwärmung zunehmend Einfluss auf weltweite Konfliktregionen nimmt
Die Ostermärsche stehen vor der Tür. Wie ein wildgewordener Cowboy schießt US-Präsident Donald Trump um sich, Kriegsschiffe fahren auf Nordkorea zu. Hierzulande fürchten sich viele Menschen vor der Eskalation neuer Kriege. Doch vor den geschlossenen Toren Europas ist bereits seit Jahren Krieg. In der Flüchtlingsdebatte hören wir von der Bundesregierung regelmäßig das gut klingende Argument, es gelte die »Fluchtursachen vor Ort zu bekämpfen«. Meistens sind damit mehr wirtschaftliche Entwicklung, mehr Jobs und weniger Armut gemeint. Abgesehen davon, dass die Große Koalition einer der größten Freihandelsförderer überhaupt ist und durch zumeist erzwungene Marktöffnung für Europas Multis in Afrika und Asien die heimische Wirtschaft an einer gesunden Entwicklung hemmt oder gar vernichtet, so ist doch vom Klimawandel als Anheizer für Krieg und Flucht so gut wie nie die Rede.
Es kann nicht oft genug gesagt werden. Sei es in Syrien, in Jemen oder in Sudan: Die Erderwärmung befeuert gesellschaftliche Krisen nicht erst seit heute. Der Klimawandel ist längt Katalysator Nummer eins für Kriege, Flucht und Not. Immer neue Thermometerrekorde und Extremwetter haben direkten Einfluss auf die Wirtschaftslage, auf Preise und die Versorgung mit Nahrungsmitteln sowie Wasser in diesen armen Ländern, im Politsprech auch als »fragile Staaten« bezeichnet. Zur historischen Verantwortung für diese Verletzlichkeit gehört übrigens nicht nur der von Europa verursachte Klimawandel. In den Ex-Kolonien Großbritanniens (Jemen bis 1967, Sudan bis 1956) und Frankreichs (Syrien bis 1946) wurden nicht nur gegeneinander aufgehetzte Volksgruppen und eine nicht funktionierende Wirtschaft hinterlassen, heute sorgt der Klimawandel gnadenlos für Dürren, Extremregen und Ernteausfälle. Auf der Suche nach dem Überleben ziehen Millionen Menschen vom Land in die Städte, wo der soziale Kessel immer mehr unter Druck gerät. Zehntausende machen sich auf gen Norden, um im wohlhabenderen Europa Geld für ihre Familien in der Heimat verdienen zu können.
Der Klimawandel ist für Millionen spürbare Realität. Eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage, die ich zu Krieg und Fluchtursachen im Nahen und Mittleren Osten gestellt habe, beschreibt die Lage im Bürgerkriegsland Syrien: »Die natürliche Pflanzenwelt ist durch Abholzung und Überweidung stark degradiert, Waldflächen sind kaum vorhanden. Klimaveränderungen in Form von Dürren haben Syrien bereits schwer geschädigt. Bereits im Jahre 2009 berichteten die Vereinten Nationen, dass rund 800.000 Syrerinnen und Syrer ihre Lebensgrundlage aufgrund schwerer Dürren verloren hätten. Arbeitslosigkeit, wachsende Nahrungsmittelunsicherheit und zusätzlicher Wasserbedarf verschärften die ohnehin angespannte Situation vor Ort. Die Migrationswellen, verursacht durch den Bürgerkrieg und Folge der klimatischen Veränderungen, erfassen das Landesinnere, gehen aber auch über die Landesgrenzen hinaus.«
Auch in Jemen, wo ein Bürgerkrieg zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Iran und dem NATO-Partner Saudi-Arabien mutiert, zeigen sich längst die beinharten Klimawandelfolgen: »In Jemen führt der Klimawandel zu Veränderungen der Regenfälle, einem Anstieg der Temperaturen, häufigeren und heftigeren Extremwetterereignissen sowie dem Anstieg des Meeresspiegels. Da Jemen ein besonders fragiles Land ist, könnten sich die Effekte des Klimawandels weitaus drastischer auswirken. Bereits jetzt ist die Pro-Kopf-Wasserverfügbarkeit in Jemen weltweit am niedrigsten, die Wasserspiegel der Grundwasservorkommen fallen um bis zu sieben Meter pro Jahr. Sanaa gilt als erste Hauptstadt der Welt, die innerhalb der nächsten zehn Jahre ohne Trinkwasser sein könnte.« Und die Zukunft sieht nicht rosig aus: »Erwartbar sind im Zuge des Klimawandels in Jemen eine weiter sinkende Wasserverfügbarkeit, stärkere Stürme und Überschwemmungen, längere Dürreperioden, vermehrte Wüstenbildung, Schäden und Verluste an Agrarland, an Obstbaum- und Tierbestand sowie an der Infrastruktur. Der Meeresspiegelanstieg dürfte Verluste einzelner Küsten- und Feuchtgebiete sowie geringere Fischereierträge zur Folge haben.« Und: »Da Jemen ein besonders fragiles Land ist, könnten sich die Effekte des Klimawandels weitaus drastischer auswirken.«
In Sudan, seit Jahren kommt das Erdölland nicht zur Ruhe und schultert allein in der Darfur-Region rund 2,6 Millionen Binnenvertriebene, sind weite Teile des bewohnten Landes von Desertifikation bedroht: »Klimaaspekte belasten zusätzlich und schaffen neue Konflikte. Abgesehen vom Kampf um Weidegründe zwischen rivalisierenden Stämmen und Ethnien kann sich durch ausbleibenden Regen die Nahrungsmittelsicherheit für weite Teile der Bevölkerung verschlechtern, was neben der ohnehin politisch brisanten Situation zusätzliche Spannungen schafft. Zunehmende Nahrungsmittelunsicherheit und ökonomische Perspektivlosigkeit verstärken den Migrationsdruck innerhalb des Landes, aber auch ins Ausland. Auch die zahlreichen Gesundheitsrisiken dürften sich durch den Klimawandel verschärfen. Neben Infektionskrankheiten, verursacht durch schlechte Wasserqualität, besteht ein erhöhtes Risiko insbesondere für Malaria und Dengue.«
Nicht nur die Trumps dieser Erde sind eine Gefahr für den Weltfrieden. Langfristig wird mehr Klimaschutz eine Friedensdividende bringen. Wem Frieden wichtig ist, der darf über den Klimawandel nicht schweigen.
Anfrage mit Klima-Länderberichten zur MENA-Region
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