Ärmelschoner als Hauptgewinn

Absage von Tombola an Sangerhäuser Gymnasium beschäftigt Sachsen-Anhalts Koalition

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Geschwister-Scholl-Gymnasium in Sangerhausen wünscht man sich neue Tischtennisplatten. Geld dafür sollte beim Tag der offenen Tür gesammelt werden - durch die traditionell vom Förderverein ausgerichtete Lotterie. Doch dieses Jahr wurden keine Lose verkauft. Die Stadtverwaltung hatte den Hinweis gegeben, es könne sich um illegales Glücksspiel handeln.

Als der Vorfall durch einen Bericht der »Mitteldeutschen Zeitung« publik wurde, schlugen die Wogen hoch. Der »Unsinn« müsse gestoppt werden, erklärte Burkhard Lischka, der Landeschef der SPD. Die Absage sei »nicht nachvollziehbar und dämlich«, wetterte der CDU-Kultusminister Marco Tullner. Und sein für das Innenressort zuständiger Parteifreund Holger Stahlknecht erklärte »als Mensch: So etwas kann man keinem Menschen erklären«. In Richtung der Stadtverwaltung von Sangerhausen ätzte er zudem, er habe den Eindruck, dass in manchen Behörden »eine Ärmelschonermentalität vorherrscht«.

Allerdings hält sich die Verwaltung der Stadt im Süden Sachsen-Anhalts an geltendes Recht - konkret: an Vorgaben des von Stahlknecht geleiteten Ministeriums. Die Ausrichtung von Lotterien wird generell vom Glücksspielstaatsvertrag geregelt. Er soll gewährleisten, dass die »Entstehung von Glücksspielsucht und Wettspielsucht« verhindert und der »natürliche Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen« gelenkt wird. Dem dient eine strenge Jugendschutzklausel: Die Teilnahme von Minderjährigen, heißt es in Paragraf 4 des Vertrages, sei »unzulässig«.

Doch der zuletzt 2011 überarbeitete Vertrag sieht Ausnahmen für sogenannte »kleine Lotterien« vor. Dabei handelt es sich um Verlosungen, deren Ertrag komplett für gemeinnützige, kirchliche oder mildtätige Zwecke verwendet und mit denen nicht mehr als 40 000 Euro eingenommen werden. Das trifft auf viele der Lotterien zu, wie sie in Schulen, Kindergärten und Kirchgemeinden, bei Dorf-, Feuerwehr- oder Vereinsfesten durchgeführt werden, um Geld für kleinere Anschaffungen einzunehmen. Bei solchen »kleinen Lotterien« dürfe von den Regelungen des Vertrags abgewichen werden, heißt es in dessen Paragraf 18. Er hätte auch in Sangerhausen gegriffen - wenn es nicht im Land Sachsen-Anhalt zusätzliche Regelungen gäbe, mit denen die lose Leine wieder straff angezogen wird. Das Innenministerium erließ im November 2012 einen Erlass zur »Allgemeinen Erlaubnis für öffentliche Ausspielungen«, in dem es klipp und klar heißt: »Der Veranstalter hat sicherzustellen, dass Minderjährige von der Teilnahme ausgeschlossen sind.« Innenminister Stahlknecht beklage sich also über »selbst verursachtes Elend«, erklärte SPD-Innenexperte Rüdiger Erben. Der Ex-Staatssekretär stichelte in Richtung des CDU-Ministers, »Ärmelschonermentalität« erkenne er nicht in der Verwaltung von Sangerhausen, sondern in Stahlknechts Haus.

Vermutlich werden nächstes Jahr am Scholl-Gymnasium wieder Preise verlost: Der Innenausschuss wird sich auf Antrag der Grünen mit dem Thema befassen. Man solle »das Problem lösen statt Schuldfragen zu klären«, mahnte Sebastian Striegel, der Innenexperte der Grünen, seine Koalitionskollegen von CDU und SPD.

Erstaunt über die hohen Wellen, die eine abgesagte Verlosung schlägt, ist man derweil bei der Gewerkschaft GEW. Dort hält man den Mangel an Lehrern und dessen Folgen für den täglichen Schulbetrieb für das drängendste Problem. Bei Unterrichtsausfall freilich »fehlt jede Aufregung«, wunderte sich die GEW im Kurznachrichtendienst Twitter: »Bei Tombola-Ausfall ist Schluss mit lustig.«

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