Seehofer und das Tor zur Ewigkeit
Bayern: Wird der CSU-Chef und Ministerpräsident trotz gegenteiliger Ansagen weitermachen?
München. In der CSU gibt es derzeit nur ein wichtiges Datum: Am 24. April will Parteichef Horst Seehofer verkünden, ob er entgegen seiner früheren Ankündigung seine politische Laufbahn auch über 2018 hinaus weiterführen will. Viele Beobachter rechnen damit, dass er sowohl als bayerischer Ministerpräsident als auch als Parteichef noch nicht bereit ist, die Geschicke in die Hände eines Nachfolgers zu legen. Seehofer selbst gibt jedoch an, sich noch nicht entschieden zu haben. »Es gibt für beide Varianten gute Argumente, ich weiß es wirklich noch nicht«, sagt er sehr gerne in Fernsehkameras oder Mikrofone. In den Osterferien werde er mit sich und seiner Familie intensiv beraten, und dann sei da auch noch der wichtige Gesundheitscheck, der beantworten soll, ob der 67-Jährige die körperliche Fitness auch für die kommenden Jahre hat.
Am 6. Mai will die CSU ihre Liste für die Bundestagswahl im Herbst aufstellen. Sollte Seehofer weitermachen, könnte er auch selbst Spitzenkandidat werden - selbst wenn der eigentlich damit verbundene Gang nach Berlin für ihn kein Thema ist: Er habe in der Vergangenheit oft genug bewiesen, dass er auch von München aus seine Durchsetzungskraft entfalten könne.
Horst Seehofer hat sich auch in der Frage seiner politischen Zukunft immer wieder als Meister des Hin und Her gezeigt. Im September 2012 erklärte er im Zusammenhang mit seiner Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2013: Er werde zwar die komplette Legislaturperiode bis 2018 ausfüllen, aber: »Dann ist auch Schluss.«
Im Oktober 2014 schloss er dann eine weitere Amtszeit als bayerischer Ministerpräsident nicht mehr aus. »Ich habe das große Ziel, dass wir in der CSU einen geordneten Generationenübergang hinbekommen. Aber ich wüsste auch, was ich zu tun hätte, wenn kein ordentlicher Übergang gewährleistet wäre«, sagte er dem »Spiegel«. Im Januar 2015 erklärte er der Zeitung »Die Welt« jedoch: »Ich werde bei der nächsten Landtagswahl nicht mehr kandidieren.«
Im April 2016 wiederum hieß es auf die Frage nach einer möglichen weiteren Amtszeit nach 2018: »Das würde ich auch gern wissen.« Im Oktober 2016 dann deutete Seehofer den Verzicht auf eines seiner Ämter an. »Ich kann für die CSU nicht ewig den Libero machen. Einmal soll ich die absolute Mehrheit in München holen und dann die bayerischen Interessen in Berlin durchsetzen«, sagte er der »Bild am Sonntag«. »Wenn wir in Zukunft erfolgreich sein wollen, müssen wir uns personell verbreitern.« Bei einem Bundestag mit sieben Parteien brauche man »den CSU-Chef und weitere starke Kräfte in Berlin«.
Am 18. Dezember 2016 korrigierte sich Seehofer und betonte, solange er selbst das Amt des Parteivorsitzenden inne habe, sei die Berliner Lösung nicht zwingend: »Aufgrund der Besonderheit meiner politischen Biografie kann ich Wirkungsmacht auch aus München entfalten.«
Am 17. Februar 2017 kündigte Seehofer an, möglicherweise über 2018 hinaus Ministerpräsident und Parteichef bleiben zu wollen. »Darüber führe ich gerade Gespräche in meiner Partei, auch mit meinen Amtsvorgängern«, sagt er dem »Spiegel«. Bis 6. Mai gebe es Klarheit.
Am 3. April kündigte Horst Seehofer dann die Entscheidung für den 24. April an. dpa/nd
Innerhalb der CSU gehen die Meinungen zu Seehofers angekündigter Zukunftsentscheidung weit auseinander: Seine Befürworter sehen darin das Finale einer strategischen Meisterleistung. Sie verweisen auf eine immer größere Zahl von Rufen nach einer Fortführung, da Seehofer insbesondere in der Flüchtlingsdebatte mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gezeigt habe, wie unersetzlich er derzeit sei. Selbst seine Vorgänger Erwin Huber und Edmund Stoiber gehören längst dazu. Sie alle vereint die Sorge, dass eine CSU ohne Seehofer bei der Landtagswahl 2018 die absolute Mehrheit nicht wird verteidigen können und die Partei nach der Bundestagswahl ihren Einfluss in Berlin einbüßen könnte.
Ihnen gegenüber stehen die Christsozialen, die im Kopf schon lange mit Seehofer gebrochen haben, die ihm einen autoritären Stil, emotionalen Autismus und fehlende Kompromissbereitschaft vorwerfen, Sie wünschen sich lieber gestern als heute eine Übernahme aller Ämter durch den aktuellen Finanzminister und wohl größten Seehofer-Kritiker Markus Söder. Öffentlich will aber derzeit niemand Seehofer die Stirn bieten, zu stark ist dessen Position. Die Taktik lautet: Warten auf eine Niederlage der CSU oder einen Fehler Seehofers - dann dürfe die Partei ihn köpfen, wie er gerne sagt.
Doch ab und an zeigt sich der tiefe Graben zwischen beiden Lagern, der etwa durch die 101-köpfige Landtagsfraktion geht. So bei der jüngst von Seehofer durchgesetzten Abiturreform, als er gegen den Widerstand weiter Teile der Fraktion das G9 durchsetzte. Oder bei der von Seehofer einkassierten Reform zum Zählsystem bei Kommunalwahlen, wo er den eigenen Leuten gar eine Arroganz der Macht vorwirft und sie schon für eine mögliche Niederlage bei den Wahlen verantwortlich macht. Auch der verordnete Kuschelkurs mit Merkel nach 18-monatigem Dauerstreit ist bei vielen in der Basis noch nicht verarbeitet.
Doch von Unruhe in den eigenen Reihen will Seehofer nichts wissen, zumindest nach außen ist für ihn im Wahljahr Geschlossenheit das oberste Gebot. »Die Partei ist ruhig, war immer ruhig«, sagt er im Landtag und versucht in der ihm üblichen Manier alle Nachfragen zur eigenen - nur wenige Tage zuvor geäußerten - Sorge (»Fürchte die eigene Fraktion mehr als die SPD«) wegzulächeln. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.