Sachsen: Im Wald entdeckte Leiche ist Flüchtling aus Arnsdorf
21-jähriger Iraker ist wohl bereits im Januar erfroren / Asylsuchender wurde im Mai 2016 Opfer eines gewaltsamen Übergriffs von Dorfbewohnern
Dresden. Kurz vor dem geplanten Prozess gegen vier Angeklagte wegen eines gewaltsamen Übergriffs auf einen Iraker im sächsischen Arnsdorf ist der 21-jährige Asylbewerber tot in einem Wald gefunden worden. Die Polizei bestätigte am Donnerstag, dass es sich bei der Leiche um den psychisch kranken Flüchtling handele. Dies habe ein Abgleich der Fingerabdrücke ergeben.
»Anzeichen auf eine äußere Gewalteinwirkung« gebe es nicht, erklärten die Behörden unter Verweis auf die am Dienstag erfolgte Obduktion. Wegen des Verwesungsgrads der Leiche sei eine zweifelsfreie Identifizierung des Manns vor Ort nicht möglich gewesen. Mit Hilfe eines DNA-Abgleich werde nun überprüft, ob es sich bei dem Toten tatsächlich um den Iraker handle. Das Ergebnis stehe noch aus. Eine Mordkommission übernahm die Ermittlungen.
Der Iraker wurde im Mai 2016 in Arnsdorf in Sachsen nach einem Streit in einem Supermarkt von Anwohnern an einen Baum gefesselt. Der Vorfall in einem Supermarkt hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt: Vier Männer im Alter zwischen 29 und 56 Jahren sollen den Asylbewerber am 21. Mai vergangenen Jahres in Arnsberg aus einem Supermarkt gezerrt und mit Kabelbindern an einen Baum gefesselt haben. Ihnen wird Freiheitsberaubung vorgeworfen.
Von dem Vorfall am 21. Mai kursierte ein Video in sozialen Onlinenetzwerken. Das Verfahren vor dem Amtsgericht Kamenz, in dem der Iraker als Zeuge aussagen sollte, ist bislang auf den kommenden Montag terminiert. Im Fall einer Verurteilung droht den vier Beschuldigten eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe.
Bei dem Iraker handelte es sich nach früheren Polizeiangaben um einen damaligen Patienten des psychiatrischen Fachkrankenhauses in Arnsdorf. Er hatte zuvor in einem Discounter eine Telefonkarte gekauft und war wegen Problemen damit wiederholt dort aufgetaucht. Aufgrund der Sprachprobleme war die Verständigung aber schwierig. Schließlich eskalierte die Situation.
In dem Video sind mehrere Männer zusehen, die den Iraker aus dem Supermarkt zerren. Im Hintergrund ist eine Frauenstimme zu hören mit den Worten: »Ist schon schade, dass man eine Bürgerwehr braucht.« Laut Staatsanwaltschaft fesselten die Beschuldigten den Iraker zunächst mit Kabelbindern und drückten ihn zu Boden. Schließlich sollen sie den Mann dann an einen Baum gefesselt haben.
Die Tatverdächtigen gaben damals zur Begründung an, sie hätten eine angebliche Gefährdungssituation abwenden und den Iraker an der Flucht hindern wollen. Die Polizei stellte aber bereits kurz nach dem Vorfall klar, dass es keinen Diebstahl und keine Sachbeschädigung gegeben habe.
Ermittlungen gegen den Iraker wegen des Verdachts der Bedrohung wurden eingestellt, weil es dafür laut Staatsanwaltschaft keine Beweise gab. Ebenso eingestellt wurde ein Verfahren gegen den Görlitzer Polizeichef. Dieser hatte Verständnis für das rabiate Vorgehen gegen den Flüchtling geäußert. Auch Untersuchungen gegen zwei Polizisten, unter anderem wegen unterlassener Hilfeleistung, wurden nicht weiterverfolgt. Agenturen/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.