Der Stolz kommt später

Frankfurts Volleyballer hätten in der Bundesliga fast den Titelverteidiger aus Berlin geknackt. Nun steht dem jungen Team ein Umbruch bevor

Als Christian Dünnes um kurz vor 23 Uhr auf seine Bronzemedaille hinabschaute, hatte er sich immer noch nicht entschieden, ob er sich darüber ärgern oder freuen sollte. »Schaut man auf die ganze Saison zurück, ist dieser dritte Platz toll, aber wir haben heute die große Chance verpasst ins Finale einzuziehen«, sagte der 2,11 Meter große Volleyballer der United Volleys Rhein-Main. Mit den Frankfurtern hatte er im entscheidenden dritten Spiel der Halbfinalserie um die deutsche Meisterschaft die Titelverteidiger aus Berlin am Rande der Niederlage, am Ende siegten jedoch die BR Volleys 3:2.

In den Statistiken wird die Saison der Volleyball-Bundesliga also wieder die selben zwei Finalisten aufweisen wie in den vergangenen vier Jahren. Der Meister wird entweder aus Berlin oder aus Friedrichshafen kommen - wie in den vergangenen 19 Jahren! Doch das verdeckt die Entwicklung des Teams aus Frankfurt, das erst seit zwei Jahren in der Bundesliga spielt. »Wir hätten nicht gedacht, dass wir an Berlin und Friedrichshafen herankommen. Wir haben es über die Saison auch nicht konstant genug geschafft, aber hier und heute hätten wir einen von beiden hinter uns lassen können«, meinte der 32-jährige Dünnes.

Sein Trainer Michael Warm sah das ganz ähnlich. »Es gibt nur eine Halle, in der wir noch nicht gewonnen haben: die Max-Schmeling-Halle in Berlin. Die Möglichkeit war noch nie so groß. Heute müssen wir uns ärgern, erst morgen können wir stolz auf das Erreichte blicken«, sagte Warm. Er haderte vor allem mit den verpassten Gelegenheiten in den ersten beiden Sätzen, die seine Mannschaft trotz teilweise großer Führungen noch knapp abgegeben hatte. »Da waren wir nicht abgebrüht und konsequent genug. Aber schön, dass wir noch mal zurückgekommen sind. Und so groß war der Unterschied zu Berlin in den drei Spielen nicht mehr«, so Warm.

In der Tat war Frankfurt, das zwischendurch zum 2:2 nach Sätzen ausglich, fast über das gesamte Spiel hinweg die bessere Mannschaft. Das erkannte auch Berlins Manager an: »Heute haben wir uns mit Glück, Cleverness und den Fans im Rücken irgendwie durchgewurschtelt«, attestierte Kaweh Niroomand seinem Team sportlich keinen besonders hochwertigen Abend.

Letztlich war aber beiden Teams anzumerken, dass sie eine lange kräftezehrende Saison hinter sich haben. Die Frankfurter schieden jüngst erst im Halbfinale des CEV-Cups aus, die Berliner erreichten dank mehrerer Energieleistungen sogar das Final Four der Champions League. Da kann im Bundesligahalbfinale schon mal etwas Energie fehlen. »Meine Akkus sind leer«, gab Berlins Kapitän Robert Kromm zu. »Ich schaue nur noch wie ich zwischen den Spielen so gut es geht regeneriere. Ich trainiere auch kaum noch.«

Der eigentliche Sieger des Abends war wohl fernab der Max-Schmeling-Halle am Bodensee zu finden: Der VfB Friedrichshafen war recht entspannt ohne Europapokalablenkung und in nur zwei schnellen Spielen ins Finale eingezogen. Da Berlin nach Spiel eins am Sonntag in Friedrichshafen zudem nach Rom reisen wird, um dort die minimale Chance auf den Gewinn der Königsklasse zu nutzen, wird der Energievorsprung der Friedrichshafener nur noch größer werden. Die hatten zudem alle vier Saisonduelle mit Berlin gewonnen und gehen so als Favoriten in die Finalserie.

Die Saison der Frankfurter ist derweil beendet, und es steht ein Umbruch an. Christian Dünnes beendete am Donnerstagabend seine Karriere. Von nun an gilt der gesamte Fokus seiner neuen Aufgabe als Sportdirektor beim Deutschen Volleyball-Verband. Trainer Michael Warm ließ ihn nur ungern gehen, wollte ihm aber auch keine Steine in den Weg legen. Die Frankfurter brauchen nun also einen neuen Hauptangreifer, und vermutlich müssen noch ein paar weitere Stellen im Kader neu besetzt werden.

Das Projekt laufe weiter, wie es geplant war, versichert Warm. Eine seiner Säulen war die Ausbildung von Talenten zu Spitzenspielern. »Das haben wir in den vergangenen zwei Jahren geschafft. Manche von ihnen werden nun den nächsten Schritt machen, daher werden wir sicher eine Umstrukturierung vornehmen«, so Warm, der dem Prinzip aber treu bleiben will. »Wir werden wieder junge Spieler holen.«

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.