Von Eiszeit und Tauwetter
Linkspartei wirbt im Bundestag für neue Ostpolitik und bessere Beziehungen zu Russland
Der Antrag für eine »neue Ostpolitik Deutschlands« angesichts einer »herrschenden Eiszeit« stand am Donnerstagabend im Bundestag zur Abstimmung. Die Linksfraktion wollte die Bundesregierung darin vor allem zu einer Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen und dazu auffordern, sich gegen eine Verlängerung der Sanktionen und Konzepte für einen »Regime Change« in Moskau zu wenden.
Das Anliegen war vom Auswärtigen Ausschuss beraten und von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen einmütig zur Ablehnung empfohlen worden. Zweifel am Vollzug dieses Votums durch das Parlament (nach Redaktionsschluss) hatte niemand. Auch die LINKE selbst ging ohne Illusionen in das Plenum. Sie möchte aber die Diskussion über dieses Thema erhalten, wie Fraktionschef Dietmar Bartsch betonte.
Dazu gehört die Forderung nach Überwindung und »letztlich« einer Auflösung der NATO. Der Pakt solle durch ein »ziviles kollektives Sicherungssystem unter Einschluss von Russland« ersetzt werden. Dieser Punkt im Antrag dürfte vielen Abgeordneten die Verweigerung leicht und manchen anderen Zustimmung unmöglich gemacht haben.
Bei der Konferenz der Linkspartei »Tauwetter oder Eiszeit?« mit mehr als 100 Teilnehmern herrschte am Vorabend statt Konfrontation und Kremlkritik wärmstes »Tauwetter« - ein Lied von Wladimir Wyssozky über Freunde und eines vom Frieden als Einstimmung. Dazu begrüßte der Abgeordnete Wolfgang Gehrcke »liebe Freunde und liebe Genossen«, ausdrücklich auch einige von der SPD.
Welche Empfindlichkeiten sich mit dem Thema Russland verbinden, machte seine Ehrenerklärung für den aus gesundheitlichen Gründen abwesenden Matthias Platzeck, Vorsitzender des deutsch-russischen Forums, deutlich. Das sei »keine politische Krankheit«, versicherte Gehrcke leutselig: »Ausgeschlossen!« Platzeck bleibe eine »Erste Adresse für eine andere, bessere Russlandpolitik.«
Dafür gab im Clara-Zetkin-Saal des Bundestages dessen Namensgeberin per Wandplakat die Richtung vor: »Lassen wir uns nicht schrecken durch die Ungunst äußerer Umstände, haben wir für alle Schwierigkeiten nur eine Antwort: Erst recht!« Mehr als nur ein »Freundschaftsspiel der Abgeordneten« in seiner Heimatstadt schlug Andrej Kossolapow, Bürgermeister Wolgograds, vor. Er setzt auf Volksdiplomatie, auf Dialog, Verständnis und Zusammenarbeit. Mit den Erfahrungen einer schon historischen Städtepartnerschaft mit dem englischen Coventry, aber auch mit Chemnitz und Köln empfiehlt sich das einstige Stalingrad als ein »Zentrum der Volksdiplomatie«.
Für die russische Sprache warb Uwe Leuschner, Deutsche Bahn Cargo Russland: »Auf der neuen Seidenstraße wird Russisch gesprochen.« Die deutsche Wirtschaft habe die Sanktionen nicht gewollt, versicherte er und beklagte: »Wir haben aufgehört, über die politischen Konflikte zu reden.« Es gebe kein Konzept für die Entwicklung der Beziehungen. Doch zu Wirtschaftsbeziehungen mit Russland gebe es keine Alternative. »Kommen Sie nach Russland«, forderte er. »Menschen müssen miteinander reden.«
Ein Rückfall in alte Zeiten werde vielleicht Deutschland und der Europäischen Union am meisten schaden, warnte Oleg Krasnitskiy, Gesandter der Russischen Botschaft in Berlin. Kein Dialog funktioniere mehr, die Ostflanke der NATO werde unter maßgeblicher deutscher Beteiligung aufgerüstet. Es sei kaum vorstellbar, dass Russland das unbeantwortet lassen werde. Trotzdem mochte der Diplomat von Eiszeit nicht unbedingt sprechen.
Befragt nach der russischen Sicht auf Deutschland meinte er, es sei »eine innere Beziehung entstanden, die nicht allen verständlich ist - ein großes Phänomen«. Er sei optimistisch, dass die aktuelle Situation keine unmittelbare Auswirkung auf die Beziehungen der Menschen habe.
Evgeniya Sayko vom Deutsch-Russischen Forum informierte über eine bevorstehende Konferenz mit 800 Teilnehmern in Krasnodar über Städtepartnerschaften: »Egal welches Wetter herrscht, wir müssen nach vorn schauen.«
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