Nationalisten stürmen mazedonisches Parlament
Volksvertretung erst nach mehreren Stunden unter Kontrolle der Polizei / Mindestens zehn Verletzte, darunter Oppositionsführer Zaev
Skopje. Die politische Krise in Mazedonien hat am Donnerstagabend zu einem Gewaltausbruch im Parlament geführt. Beim Sturm von nationalistischen Demonstranten auf die Volksvertretung in Skopje wurden am Donnerstagabend mindestens zehn Menschen verletzt, unter ihnen Oppositionsführer Zoran Zaev. Das Auswärtige Amt verurteilte die Angriffe »auf das Schärfste«.
Rund 100 teils maskierte Demonstranten drangen am Donnerstagabend in das Parlamentsgebäude ein, schwenkten mazedonische Flaggen und sangen die Nationalhymne. Videobilder zeigten umgeworfene Stühle und Kamera-Stative. Ein AFP-Reporter sah Zaev mit blutverschmiertem Gesicht in einer aufgebrachten Menschenmenge. Innenminister Agim Nuhiu sagte Medienberichten zufolge, zehn Abgeordnete sowie einige Polizisten und Journalisten seien bei dem Sturm auf das Parlament verletzt worden.
Die Demonstranten protestierten gegen den Plan des Sozialdemokraten Zaev, sich mithilfe einer Partei der albanischen Minderheit zum Regierungschef wählen zu lassen. Sie sehen darin eine Gefahr für die Einheit und Souveränität Mazedoniens. Für besonderen Ärger bei den Demonstranten sorgte der Versuch von Zaev und seinen Verbündeten, den albanisch-mazedonischen Politiker Talat Xhaferi zum Parlamentspräsidenten wählen zu lassen.
Mehrere Stunden nach dem Sturm auf die Volksvertretung übernahm die Polizei wieder die Kontrolle über das Gebäude. Etwa 2000 bis 3000 Demonstranten versammelten sich weiterhin vor dem Parlament. Präsident Gjorge Ivanov wandte sich in einer Fernsehansprache an seine Landsleute. »Ich rufe dazu auf, dass die Spannungen sich beruhigen«, sagte er und rief zur Gewaltlosigkeit auf. Für Freitag lud er die Parteichefs zu Beratungen über die Lage in sein Büro ein. »Niemand aus dem Ausland kann unsere Probleme lösen«, sagte Ivanov.
EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn kritisierte die Erstürmung des Parlaments »auf das Schärfste«. Im Kurzbotschaftendienst Twitter schrieb er: »Gewalt hat keinen Platz im Parlament. Die Demokratie muss ihren Lauf nehmen.«
Das Auswärtige Amt in Berlin verurteilte die Angriffe auf das Parlament in Skopje ebenfalls »auf das Schärfste«. Zuvor hatte es die Lage als »unübersichtlich« beschrieben und Reisenden geraten, die Innenstadt von Skopje und öffentliche Plätze der mazedonischen Hauptstadt vorerst zu meiden.
Mazedonien wird seit 2015 von einer politischen Krise gelähmt. Auch Parlamentswahlen im Dezember hatten keinen Ausweg gebracht. Präsident Ivanov weigert sich seitdem, Zaev ein Mandat zur Regierungsbildung zu erteilen, obwohl dieser mit den albanischen Abgeordneten eine Mehrheit im Parlament hätte. Ivanov wirft Zaev vor, »Mazedoniens Souveränität zu untergraben«.
Die langjährige konservative Regierungspartei VMRO-DPMNE, die zwar mit zwei Sitzen mehr als Zaevs SDSM aus der Wahl hervorgegangen war, hatte keine Koalition zustande bekommen. Die EU bemüht sich bislang erfolglos um eine Beilegung des Konflikts. 20 bis 25 Prozent der rund 2,1 Millionen Einwohner Mazedoniens gehören der albanischen Minderheit in dem Balkanland an. AFP/nd
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!