Linke auf »Todesliste« von rechtem Offizier
Gesinnung des Soldaten war schon 2014 der Bundeswehr bekannt / Sicherheitsbehörden prüfen jetzt mögliches rechtsradikales Netzwerk / Wehrbeauftragter: Bundeswehr für Neonazis anfälliger
Berlin. Im Fall des mutmaßlich rechtsradikalen Bundeswehr-Offiziers Franco A., der wegen eines möglichen Anschlags festgenommen wurde, kommen immer mehr Details ans Licht. So war auf der Name einer Liste mit politischen Gegnern, die bei dem Soldaten gefunden wurde, auch die Berliner Linken-Abgeordnete Anne Helm verzeichnet. »Mein Name stand auch auf dieser Liste des mutmaßlichen Rechtsterroristen Franco A.«, erklärte Helm auf Twitter. »Darüber hat mich das LKA gestern informiert.« Die Politikerin ist seit langem unter anderem antifaschistisch sehr aktiv.
Bereits zuvor hatte die »Bild«-Zeitung berichtet, ein anderer politischer Aktivist sei vom Landeskriminalamt Berlin informiert worden, »dass der festgenommene Soldat eine Todesliste geführt habe, auf der Anschlagsziele gestanden hätten«. Helms Nachricht im Kurznachrichtendienst sorgte weithin für Bestürzung und große Solidarität.
Derweil gerät die Bundeswehr immer mehr unter Erklärungsdruck, denn so unauffällig war der Offizier keineswegs. Wie der »Spiegel« meldet, war die extrem rechte Gesinnung des Soldaten schon lange bekannt - mindestens seit 2014. Damals war eine Masterarbeit, die Franco A. während seines Studiums an der französischen Militäruniversität Saint-Cyr verfasst hatte, als extremistisch eingestuft worden.
Der Verdächtige sei damals aufgefallen, da er in seiner Arbeit »Politischer Wandel und Subversionsstrategie« stramm völkische und teilweise rechtsextreme Meinungen wiederholte und sich nicht von entsprechenden Denkern oder Philosophen distanzierte. Wörtlich beschrieb ein Professor demnach die Arbeit mit dem Urteil, sie sei nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar. Dies war laut »Spiegel« auch der Bundeswehr bekannt. Ein Bundeswehrwissenschaftler habe in einer Bewertung geschrieben, die Masterarbeit enthalte eindeutig »völkisches Denken«. Trotzdem sei ein zunächst gegen den heutigen Oberleutnant deswegen bestehender Verdacht dann fallengelassen worden, da dieser sich von seiner Arbeit mit dem Hinweis distanziert habe, er habe diese unter Zeitdruck geschrieben.
Von Seiten der Bundeswehr hatte es dagegen in den vergangenen Tagen geheißen, es habe keine Hinweise auf eine extremistische Einstellung des Soldaten gegeben. Auch bei zwei Sicherheitsüberprüfungen durch den Militärischen Abschirmdienst (MAD) habe es während der rund achtjährigen Dienstzeit des heute 28-Jährigen keine Auffälligkeiten gegeben. Nun will der Geheimdienst zwei langjährige Bekannte des Bundeswehr-Offiziers befragen. Es soll damit herausgefunden werden, ob der Soldaten Teil eines Netzwerkes war, zu dem auch diese beiden gehörten, berichtete die »Frankfurter Rundschau« unter Berufung auf Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages. Die Frage, ob ein solches Netzwerk existiert, ist demnach aber noch nicht abschließend beantwortet.
Bisher waren beide Behörden lediglich darauf gestoßen, dass der 28-jährige Oberleutnant der Bundeswehr, der sich als syrischer Flüchtling ausgegeben hatte, in Verbindung zu einem 24-jährigen ebenfalls rechtsextremistischen Studenten stand, bei dem zahlreiche Waffen gefunden wurden. Beide stammen aus Offenbach. Bundestagsabgeordnete wollen laut dem Bericht überdies untersuchen, ob Verbindungen in die rechtsextremistische Szene Österreichs bestehen. Der Oberleutnant war aufgefallen, weil er auf einer Toilette des Wiener Flughafens eine Waffe versteckt und behauptet hatte, diese habe er vorher gefunden.
Der Oberleutnant war am Mittwoch unter dem Verdacht festgenommen worden, einen Anschlag geplant zu haben. Er hatte sich laut Staatsanwaltschaft offensichtlich monatelang unter falschem Namen als syrischer Flüchtling ausgegeben. Ihm war vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sogar sogenannter subsidiärer Schutz gewährt worden. Aufgeflogen war die Doppelidentität des Offiziers durch den Fund einer Pistole, die er auf dem Wiener Flughafen versteckt hatte. Daraus ergibt sich auch der Verdacht einer möglichen Anschlagsplanung.
»Wir klären rigoros auf, was geschehen ist, und ziehen wo nötig harte Konsequenzen«, sagte von der Leyen laut Verteidigungsministerium am Samstag - noch vor der Veröffentlichung des »Spiegel« - auf dem Bezirksparteitag der CDU-Nordost-Niedersachsen in Rosengarten-Nenndorf. Sie habe den Generalinspekteur der Bundeswehr angewiesen, mögliche Weiterungen des Falls innerhalb der Streitkräfte zu prüfen. Auch sei zwischen Innen- und Verteidigungsministerium eine gemeinsame Koordinierungsgruppe gebildet worden, »die jetzt intensiv den vielen Fragen und Verästelungen nachgeht«.
De Maizière teilte am Samstag in Berlin mit, er habe beim Bamf eine Untersuchungsgruppe eingerichtet, »die sehr rasch Ergebnisse vorlegen soll«. Diese werde »jetzt intensiv prüfen, wie der vorliegende Fall passieren konnte und ob es weitere Fälle geben kann«, erklärte der Minister. Dabei würden insbesondere weitere Entscheidungen der Dolmetscher und Anhörer unter die Lupe genommen, die beim Bamf an dem Vorgang beteiligt waren.
Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), hält derweil die Bundeswehr für Rechtsextremismus »strukturell anfälliger« als andere Bereiche der Gesellschaft. »Hierarchien, Waffen, Uniform - das zieht manchen Bewerber an, den die Bundeswehr nicht haben wollen kann«, sagte Bartels der »Welt am Sonntag«. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Rainer Arnold, kritisierte in diesem Zusammenhang die Kontrollmechanismen der Bundeswehr. »Rechtsradikale herauszufiltern hat bei der Bundeswehr nicht immer gut funktioniert. Da wurde eindeutig zu wenig getan«, sagte er der Zeitung.
Auch Christine Buchholz, verteidigungspolitische Sprecherin der Linkspartei, sieht den Umgang mit Rechtsextremismus in den Streitkräften kritisch. »Es gibt ein unübersehbares Problem mit Rechtsextremismus in der Bundeswehr«, sagte sie der »Welt am Sonntag«. Rechtsradikale Taten würden oftmals als die von einzelnen Personen dargestellt, mögliche Verstrickungen in Netzwerke und Organisationen der extremen Rechten bagatellisiert.
Ab 1. Juli werden angehende Soldaten vom Militärischen Abschirmdienst überprüft, um das Einsickern von Dschihadisten und anderen Extremisten zu verhindern. Das hatte die Bundesregierung vergangenen August beschlossen. »Damit können bereits auffällig gewordene Nazis oder Islamisten leichter herausgefischt werden«, sagte Bartels. Agenturen/nd
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