Kontroverse um Google geht weiter

Stadtrat will Aufwertungsdruck in Kreuzberg reduzieren - dezentrale Lösung vorgeschlagen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Dass Wirtschaftslobbyisten und deren politische Handlanger nun von konservativen, besitzstandswahrenden, Anti-Veränderungs-Kreuzbergern sprechen, weil diese die Ansiedlung von Zalando und Google kritisch sehen, kotzt mich richtig an«, erklärte der Friedrichshain-Kreuzberger Stadtrat Florian Schmidt (Grüne) am Wochenende auf Facebook.

Bekanntlich will der Modehändler Zalando ein zusätzliches Quartier auf der ehemaligen Cuvrybrache an der Schlesischen Straße beziehen. Im November 2016 kündigte der Internetgigant Google an, im einstigen Umspannwerk Kreuzberg an der Ohlauer Straße einen sogenannten Campus zu errichten. Als siebter Standort weltweit will Google Startup-Unternehmen in der Gründerphase unterstützen. »Accelerator« heißen solche Einrichtungen in der Startup-Sprache, zu deutsch »Beschleuniger«. Vor allem vor einer möglichen Beschleunigung der Verdrängung haben die Anwohner nun Angst. »Unser Kiez wird in die Zange genommen«, heißt es bei der Stadtteilinitiative »Bizim Kiez«. Auch die Aktivisten der Initiative »GloReiche« sind alles andere als begeistert. Am Montagabend sollte auch die »Revolutionäre 1. Mai-Demonstration« an dem geplanten Bau vorbeiziehen.

Das »nd« hatte vergangene Woche exklusiv berichtet, dass das Florian Schmidt unterstellte bezirkliche Bauamt den ersten Bauantrag für die Umgestaltung in der vorliegenden Form nicht genehmigen will. »In ideologischer Manier wird eine zukunftsträchtige Initiative blockiert, anstatt Berlin Chancen einzuräumen, um mit anderen Metropolen konkurrieren zu können«, kommentierte Sebastian Czaja, FDP-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, die Nachricht. Im Startup-Portal Gruenderszene.de attestierte Autor Frank Schmiechen den Betroffenen »Abschottungsfantasien statt Offenheit, rückwärts gewandten Konservatismus statt Aufgeschlossenheit, ängstliche Verzagtheit statt mutiger Aufbruchsstimmung und Überheblichkeit«.

Da half die Mitteilung von Florian Schmidt wenig, dass er Google die Möglichkeit geben werde, den Bauantrag nachzubessern - allerdings wolle er dabei auch einen Dialog mit Nachbarschaft und Initiativen vorschlagen. »Eine politische Baugenehmigung oder -ablehnung aber wird es nicht geben«, stellte Schmidt klar. Den Lobbyisten sei es »egal, dass Familien ihre Kleingewerbe aufgeben müssen und in existenzielle Not geraten. Dass Menschen Angst haben, keine Wohnung mehr zu finden. Dass junge Leute nicht mehr bei den Eltern ausziehen, wodurch Wohnungen überbelegt werden und Kinder zu dritt oder viert in einem Zimmer leben«, benannte Schmidt nun am Wochenende konkrete Folgen der Verdrängung.

Die Konzerne wüssten von dem Phänomen, da es in den USA sogar ihre eigenen Mitarbeiter betreffe - wenn auch für diese sich Wohnungsnot allenfalls als ein Luxusproblem darstelle, so Schmidt weiter. »Ich sage nicht, das Google und Zalando nicht in Berlin sein sollten. Doch bei einem immer noch nicht unerheblichem Gewerbeleerstand in Gewerbegebieten in Berlin müssen sich diese Global Player die Frage gefallen lassen, warum sie ausgerechnet in Wohnquartiere mit hoher Aufwertungs- und Verdrängungsdynamik einziehen«, gibt der Baustadtrat zu bedenken. »Gern, wirklich sehr gerne helfen wir mit, dass in der Außenstadt coole Kieze entstehen, durch kreative Planungsmethoden die tolle Architektur und die so berlinerischen alternativen Lebensmodelle befördern«, skizziert Schmidt, wie aus seiner Sicht eine für beide Seiten gangbare Lösung aussehen könnte. »Wir brauchen eine Dezentralisierung des Hypes, damit Berlin nicht an seinem eigenen Erfolg zugrunde geht«, ist Florian Schmidt überzeugt.

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