Lichtenbergs Grundschulen platzen aus allen Nähten
Bürger und Fraktionen fordern sofortige Lösungen für bessere Lernbedingungen im Bezirk
Volle Klassenzimmer, Gedränge in der Mensa und auf den Fluren sowie Unterricht im Schichtsystem: Die Situation an Lichtenbergs Grundschulen ist besorgniserregend. Dass es besonders im Süden und in der Mitte des Bezirks zu einem großen Bedarf an Schulplätzen kommen wird, war langfristig abzusehen – sagen zumindest engagierte Karlshorster, die vor vier Jahren ein Elternnetzwerk gegründet haben.
Bereits damals hatten sie Kontakt zu den Verantwortlichen im Bezirk aufgenommen und immer wieder darauf gedrängt, die Suche nach neuen Schulstandorten in Angriff zu nehmen. Ulrich Karlsen, Vertreter des Elternnetzwerkes, sagt während der Bürgerversammlung am Dienstagabend in Karlshorst: »Wir haben den Eindruck, dass Lichtenberg damals nicht wirklich ernsthaft nach geeigneten Grundstücken für Schulneubauten gesucht hat.« Die besorgten Eltern hätten stattdessen zur Antwort bekommen, in Karlshorst gebe es keine Flächen für neue Schulstandorte. »Ein Unding«, sagt Karlsen, denn jetzt sei das Fass bereits am Überlaufen: Kapazitäten seien mehr als ausgeschöpft, dadurch gebe es schlechte Lernbedingungen und kurzfristig düstere Aussichten. Allein im kommenden Schuljahr würden in Karlshorst rund 300 Erstklässler eingeschult. Doch die derzeit vorhandene Infrastruktur sei nur für 200 Neuzugänge ausgelegt.
Björn Sacknieß vom Elternnetzwerk sagt: »Sorgen bereiten uns die Überbelegungen, denn dadurch bleibt die Qualität des Unterrichts auf der Strecke.« Durch die rege Bautätigkeit und den Zuzug vor allem junger Familien mit Kindern werde sich die Situation in den nächsten Jahren weiter zuspitzen.
Der verantwortliche Schulstadtrat Wilfried Nünthel (CDU) wird nachdrücklich gebeten, sich schnell für Lösungen einzusetzen. Nünthel betont mehrmals, dass die Einwohnerprognose, die vor einigen Jahren für Lichtenberg abgegeben worden war, schlichtweg falsch gewesen sei. »Bereits jetzt hat der Bezirk 20 Prozent mehr Einwohner als 2011 – nämlich 284 000«, so der Politiker. Das sei ursprünglich erst für 2024 prognostiziert worden. Im Bezirk sei man sich aber einig, das Thema Schule zum »Top-Thema« der nächsten Jahre zu machen. Auch Bezirksbürgermeister Michael Grunst (LINKE) hatte kürzlich gesagt, für den rasanten Zuwachs der Einwohnerzahlen müsse Lichtenberg auch die entsprechende Infrastruktur schaffen. »Wir sind auf jeden Fall dran, aber zaubern können wir nicht«, sagt Nünthel.
Er berichtet von bevorstehenden Baumaßnahmen an den drei Karlshorster Grundschulen und nennt zwei Grundstücke, auf denen langfristig Schulen vorgesehen seien: am Blockdammweg 60-64 sowie an der Treskowallee 137-151. Bereits 2019 gehen in Lichtenberg zwei neue Unterrichtsgebäude an der Sewan- und an der Konrad-Wolf-Straße »ans Netz«, kündigte der Stadtrat an.
Vielen Besuchern ist das allerdings zu spät und »zu weit weg von Karlshorst«. Sie verlangten immer wieder »schnellere Maßnahmen«. Anja Ingenbleek (SPD), Vorsitzende des Schulausschusses, schlägt vor, über Erweiterungen in der Mensa an der Richard-Wagner-Schule nachzudenken – und während der warmen Jahreszeit auch den Außenbereich zu nutzen.
Nünthel will sich bei der Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) für die Anschaffung von Containern einsetzten, wenigstens als Zwischenlösung.
Hendrikje Klein, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Abgeordnetenhaus, hatte Anfang April eine Schriftliche Anfrage gestellt, um die Entwicklung der Grundschulplätze in den am meisten betroffenen Kiezen zu erfahren. Ihr Fazit: »Die Grundschulversorgung in Lichtenberg Mitte ist kurz- und langfristig nicht gesichert. Und die bisher geplanten Maßnahmen dauern und sind zu wenig.« Zudem erreiche das Problem zeitnah die weiterführenden Schulen. Sie forderte den Bezirk und den Senat deshalb auf, gemeinsam schnellstmöglich Lösungen zu finden.
Auf Antrag der Linksfraktion hatte die Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung in ihrer jüngsten Sitzung Ende April beschlossen, Standorte für Gemeinschaftsschulen zu ermitteln: »Wir erwarten eine zeitnahe Aufschlüsselung potenzieller Standorte und Gebäude, damit schnell neue Gemeinschaftsschulen entstehen können«, sagten Fraktionsvorsitzende Kerstin Zimmer und Norman Wolf.
Fehlende Plätze in Zahlen
Die Senatsverwaltung für Bildung ermittelte im Juni 2016, dass 860 bis 1000 Schulplätze in den Kiezen Friedrichsfelde, Victoriastadt, Weitlingkiez und Gensinger Viertel fehlen. Das geht aus einer Antwort von Anfang April auf eine Schriftliche Anfrage der LINKEN-Abgeordneten Hendrikje Klein .
Dieser Bedarf soll durch den Neubau einer Grundschule »Hauptstraße 8« (432 Plätze) sowie den Neubau einer Grundschule »Sewanstraße 43« (ebenfalls 432 Plätze)gedeckt. Die Erweiterung der Schule an der Victoriastadt werde geprüft (144 Plätze).
Dem hält Klein entgegen, dass die Grundschulen bereits zum Schuljahr 2017/18 voll oder überbelegt sein werden. Sie hatte Schulen abgefragt und Zu- und Abgänge berechnet. Die Adam-Ries-Grundschule habe beispielsweise 360 Plätze, 2017/18 sollen dort 427 Kinder sein. Die Friedrichsfelder Grundschule habe dieselbe Kapazität, dort werden 477 Kinder erwartet.
Klein kritisiert außerdem, dass der Neubau in der Hauptstraße in Lichtenberg-Süd liege in Mitte. Er werde nicht vor 2019/20 fertig. Dass der Neubau in der Sewanstraße bis 2019/20 fertig werde, bezweifelt sie. Die Erweiterung der Schule an der Victoriastadt sei bisher finanziell nicht gesichert. ewe
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