Kuchenstück kleiner als erhofft
Die dänische Urabstimmung zu den Tarifabschlüssen 2017 ergab ein »Ja, aber…«
Die Tarifverhandlungen 2017 in Dänemark sind abgeschlossen und bescherten rund 500 000 Beschäftigen in der Privatwirtschaft neue Verträge mit einer Laufzeit bis 2019. Moderate Lohnerhöhungen und einige Verbesserungen im sozialen Bereich stehen ins Haus. Die Erleichterung war den Gewerkschaftsbossen anzusehen, als sie offiziell das Ja der Gewerkschaftsmitglieder verkündeten.
Insgeheim dürften sie sich aber schon heute Sorgen machen über die nächste Verhandlungsrunde, denn historisch viele Nein-Stimmen überschatten das Abstimmungsergebnis. Immerhin sagten vier Einzelverbände und 43 Prozent der Mitglieder Nein zu den Rahmentarifabkommen.
Als Hauptursache der Unzufriedenheit wird die Einführung des Begriffs der »systematischen Überstunden« in das Vokabular des Arbeitsmarktes angesehen. Bei Bedarf können Arbeitgeber jetzt die Verlängerung des Arbeitstages um eine Stunde für eine begrenzte Periode ankündigen. Diese werden später, im Baugewerbe beispielsweise typisch im Winterhalbjahr, wieder abgebummelt.
Doch was für die Arbeitgeber erhöhte Flexibilität bei der Auftragsbewältigung bringt, bedeutet für die Arbeitnehmer einen Eingriff in die Freizeit. Die Beschäftigten im Bau, bei der Bahn, die Maler und Schlachtereiarbeiter wissen, was damit auf sie zukommt. Bei der bereits beschlossenen Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre und der fortgesetzten Diskussion, die Altersgrenze künftig auf 70 Jahre festzusetzen, können die körperlich Arbeitenden sich leicht ausrechnen, wie ihre Zukunft aussehen wird. Kurze, wilde Streiks in einigen Schlachtereien gab es unmittelbar nach Bekanntwerden des Ergebnisses. Am übergeordneten Ja ändern sie nichts.
Generell kann gesagt werden, dass die Zustimmung zu den Tarifabschlüssen mit dem Ausbildungsgrad und einer geringeren physischen Arbeitsbelastung der Beschäftigten steigt. Das Ja der Büroangestellten, Techniker und Facharbeiter in der Metallindustrie wog die Gegenstimmen auf.
Während in früheren Jahren die Stimmenabgabe bei höchstens 40 Prozent lag, waren es diesmal fast 60 Prozent der Mitglieder, die von ihrem Abstimmungsrecht Gebrauch machten. Die mangelnde Begeisterung eines Teils der Mitglieder durch unzureichende Kommunikation zu erklären, wie es einige Gewerkschaftsführer taten, klingt nach einer schlechten Ausrede.
Gerade in den letzten Tagen vor der Urabstimmung, als ablehnende Stimmen zu den Tarifabschlüssen von lokalen Gewerkschaftsgruppen lauter wurden, waren die zentralen Organe in die Offensive gegangen, um die zweifellos vorhandenen positiven Aspekte hervorzuheben. Hier sind insbesondere die volle Lohndeckung im Mutterschaftsurlaub für einige Branchen, verbesserte Qualifizierungsmöglichkeiten für Facharbeiter und bessere Ausbildungsmöglichkeiten für Ungelernte zu nennen. Allerdings scheint die Gewerkschaftsführung völlig vergessen zu haben, dass sie einst selbst Nein sagte, als 2012 die jährliche Arbeitszeit durch die Streichung von drei staatlichen Feiertagen heraufgesetzt werden sollte.
Neben der Liberalisierung der Arbeitszeit in den aktuellen Tarifabschlüssen ist ein weiterer Grund für die Skepsis an der Basis die nur kümmerliche Ausweitung der »Einsichtsmöglichkeiten«. Diese hatten die Gewerkschaften durchgesetzt, um Unterlieferanten auf den Verdacht des sozialen Dumpings zu kontrollieren. Die Transparenzregelung wurde nun zwar verbessert, aber eine generelle Kettenverantwortung für Unterlieferanten und Zulieferer wurde damit nicht erreicht. So müssen die Beschäftigten, insbesondere im Bau- und Transportgewerbe, weiter mit der täglichen Bedrohung leben, dass ihre Arbeitskraft durch billige Osteuropäer ersetzt wird.
Fazit: Die Arbeitnehmer können sich nach Zeiten des »Schmalhans« während der Krisenjahre wieder über eine besser gefüllte Lohntüte und Verbesserungen im Umfeld ihrer Arbeit freuen. Doch fiel ihr Kuchenstück nicht so groß aus, wie es viele Gewerkschafter nach vielen Jahren der Zurückhaltung gern gesehen hätten.
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