Groko der kleinen Möglichkeiten

Der finanzielle Spielraum für die neue, alte Koalition im Saarland ist gering

  • Jörg Fischer, Saarbrücken
  • Lesedauer: 4 Min.

An der Saar lief alles wie geplant. »Wir haben angekündigt, zügig und fair zu verhandeln. Das war der Fall«, berichtete Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer. Nicht einmal sieben Wochen nach der Wahl haben CDU und SPD ihren Koalitionsvertrag so gut wie fertig. Einmütig traten Kramp-Karrenbauer und ihre Vize von der SPD am Donnerstag im Landtag in Saarbrücken vor die Presse.

Das neue Bündnis ist eine »Weiterentwicklung« dessen, was CDU und SPD in den vergangenen fünf Jahren Positives gemacht haben. Die Saarländer hatten sich den Erwartungen der meisten Meinungsforscher und Medien zum Trotz am 26. März klar für eine Fortsetzung der Großen Koalition unter Führung von Kramp-Karrenbauer entschieden.

Die Union hatte 40,7 Prozent bekommen, die SPD um Spitzenkandidatin Anke Rehlinger nur 29,6 Prozent. Angesichts des Schulz-Hypes hatte die Wirtschaftsministerin gehofft, in einem rot-roten oder rot-rot-grünen Bündnis Kramp-Karrenbauer als Ministerpräsidentin ablösen zu können.

Als das nicht klappte, entschied sie sich für weitere fünf Jahre als Juniorpartnerin in der Groko. Die Sozialdemokraten hätten einen klaren Wählerauftrag bekommen, »sich auch in finanzpolitischer Hinsicht schwierigen Zeiten« der Verantwortung zu stellen, sagte sie am Donnerstag in Richtung ihrer Partei.

Mehr als 120 Stunden bearbeiteten 77 Fachpolitiker seit Ostern in Arbeitsgruppen die Inhalte von rund 1000 A4-Seiten, 16 Stunden berieten rund 30 Teilnehmer in großer Runde. Wenn es hakte, trafen sich die beiden Verhandlungsführerinnen, CDU-Landeschefin Kramp-Karrenbauer und SPD-Vize Rehlinger zum Vieraugen-Gespräch.

Größtes Problem: Der finanzielle Spielraum ist äußerst gering. In den beiden kommenden Jahren müssen die Saarländer gemäß der Schuldenbremse ihr Haushaltsdefizit abbauen. Ab 2020 wird es etwas besser. Nach dem neuen Bund-Länder-Finanzsystem bekommen die Saarländer dann pro Jahr 229 Millionen Euro mehr als jetzt. Dieses Geld dürfte allerdings größtenteils für steigende Kosten etwa beim Personal, der Beamtenversorgung, Zahlungen an die Kommunen und der Schuldentilgung draufgehen.

Dennoch könnten mindestens 92 Millionen Euro pro Jahr übrig bleiben, haben die Experten des Finanzministeriums errechnet. Auf jeden Fall soll dann ein »Jahrzehnt der Investitionen« etwa im Hochschulbereich anbrechen. Vielleicht würden es sogar mehr, wenn die Steuereinnahmen stärker steigen als konservativ angenommen und es mehr Unterstützung des Bundes gebe, betonten Kramp-Karrenbauer und Rehlinger.

Oskar Lafontaine, Chef der Linksfraktion, neben der AfD einzige Oppositionspartei im Landtag, erklärte denn auch, die finanziellen Probleme des Landes seien weiter nicht gelöst. »Obwohl die Saar-Wirtschaft eindringlich mehr Investitionen in die Infrastruktur gefordert hat und den Sanierungsstau auf über eine Milliarde Euro beziffert, wollen CDU und SPD erst in drei Jahren reagieren und den Investitionsstau auflösen«. Das sei zu spät und angesichts der ungewissen Entwicklung von Zinsen und Steuereinnahmen riskant. Das Land falle weiter zurück, kritisierte der frühere Ministerpräsident.

Vereinbart wurde der Einstieg in eine beitragsfreie frühkindliche Kinderbetreuung. Ab dem 1. August 2018 sollen die Gebühren für Kita und Krippe bis 2022 schrittweise um mindestens 25 Prozent gesenkt werden. Hier konnte sich die CDU nicht durchsetzen, die einen Bildungsgutschein propagiert hatte, den die Eltern noch im Schulalter ihrer Kinder hätten einsetzen können. Koalition sei immer auch Kompromiss, sagte Kramp-Karrenbauer. Der Koalitionsvertrag trage die »Handschrift« beider Seiten. Insgesamt sei er gemäß dem Wahlergebnis aber »mehr schwarz.«

Zu den strittigsten Punkt gehörte die von der SPD beworbene teilweise Rückkehr des Abiturs nach neun statt nach acht Jahren. Jetzt sollen erstmal Experten den Gesamtkomplex der Problematik diskutieren. Das Thema sei nicht im Sinne der SPD entschieden worden, räumte Rehlinger ein.

Auch die Kommunalreform ist bis zur übernächsten Kommunalwahl 2024 vertagt. Eine Zusammenlegung von Städten und Gemeinden, wie sie die CDU nicht ausschließt, sei damit aber noch nicht vom Tisch, meinte Kramp-Karrenbauer. Vereinbart wurde zunächst, dass die Amtszeit der Bürgermeister auf fünf Jahre halbiert werden soll, um mehr Spielraum für eine Reform zu bekommen.

Auf jeden Fall wird das Kabinett die kleinste deutsche Landesregierung mit nur sechs Ministern bleiben. Davon bekommen CDU und SPD wieder je drei. Im Zuschnitt gibt es kleine Änderungen. So soll die Justiz, die bisher Umweltminister Reinhold Jost (SPD) mit innehat, in die Zuständigkeit der CDU fallen. Innenminister Klaus Bouillon (CDU) bekommt zusätzlich die Zuständigkeiten für Hochbau, die bisher beim CDU-geführten Finanzministerium und in der Staatskanzlei angesiedelt waren. Der Straßenbau bleibt aber Wirtschafts- und Verkehrsministerin Rehlinger erhalten.

Der neue Koalitionsvertrag muss noch ausformuliert werden. Das Papier werde aber länger als das alte, sagte Kramp-Karrenbauer. Jenes hatte 72 Seiten. Kramp-Karrenbauer und Rehlinger müssen nun ihren Parteifreunden das Ausgehandelte schmackhaft machen. Das dürfte aber kein größeres Problem für sie werden. Die Basis der CDU soll bei einem Landesparteitag am 12. Mai, die der SPD am 15. Mai über die alte, neue Groko entscheiden.

Einen Tag später will sich Kramp-Karrenbauer im Landtag zur Ministerpräsidentin wählen lassen. Danach dürften CDU und SPD an der Saar recht geräuschlos weiter regieren. Allerdings: »Dass es in den kommenden Jahren auch mal knallt, ist klar - wie in einer guten Ehe«, ahnt Kramp-Karrenbauer aus Erfahrung.

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