Kaum gewählt, schon deutsch abgekanzelt
Unionspolitiker und Unternehmenslobby stemmen sich gegen Macrons erste Vorschläge zu EU-Korrekturen
Berlin. Kurz nach seiner Wahl hat der kommende französische Präsident Emmanuel Macron die europapolitischen Kräfteverhältnisse zu spüren bekommen: Seine Pläne für Korrekturen in der EU stießen auf Ablehnung unter Anhängern des deutschen Austeritätskurses. Macron plädiert für einen Eurozonen-Finanzminister, einen Haushalt der Euro-Zone und für gemeinsame Anleihen.
Der CDU-Politiker Gunther Krichbaum, Chef des Europaausschusses des Bundestages, lehnte eine »Vergemeinschaftung von Schulden« gegenüber »Bild« ab. »Weder die Eurozone noch Frankreich leiden an zu wenig Schulden«, sagte auch Finanzstaatssekretär Jens Spahn von der CDU. FDP-Chef Christian Lindner hieb in dieselbe Kerbe: »Frankreich löst seine Probleme nicht auf Pump.«
Aus Sicht des Fraktionschefs der Konservativen im EU-Parlament, Manfred Weber, darf Macron noch nicht einmal Änderungen in der EU vorschlagen. »Macron kann erst Reformschritte in Europa fordern, wenn er bewiesen hat, dass sein eigenes Land reformfähig ist«, so Weber in der »Rheinischen Post«. Er pochte auf so genannte Haushaltsdisziplin, eine Deregulierung des Arbeitsmarktes und den Abbau der Staatsquote, also auf eine Verringerung öffentlicher Ausgaben. Keinen Zentimeter von der bisherigen EU-Linie will auch Haushaltskommissar Günther Oettinger abrücken. Er halte »nicht viel« von Macrons Forderung nach einem Eurozonen-Finanzminister, so der CDU-Politiker.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag stemmte sich ebenfalls sofort gegen die Überlegungen Macrons für ein Budget der Euro-Zone und die Ausgabe von Euro-Anleihen. »Das würde den Standort Deutschland und Europa schwächen«, sagte der DIHK-Präsident Eric Schweitzer - weil »Kapitalanleger und Sparer das Vertrauen in den Euro verlieren könnten«.
Nach Ansicht des linken Europaabgeordneten Fabio De Masi spielen Macron und die Bundesregierung »Wahlkampf-Tennis vor den Parlamentswahlen in Frankreich und Deutschland«. Die Eurokrise werde »weder durch eine Fortsetzung der Kürzungspolitik überwunden noch durch einen europäischen Finanzminister«. Kern des Problems seien vielmehr die chronischen Exportüberschüsse Deutschlands.
In der Debatte werden auch Differenzen in der Großen Koalition sichtbar. Anders als die Union hatte sich Außenminister Sigmar Gabriel geäußert. »Es muss aufhören, dass wir den Franzosen ständig mit dem erhobenen Zeigefinger gegenübertreten, nichts mitmachen und sie sozusagen um jeden Millimeter Flexibilität in der Politik betteln lassen.« Der SPD-Mann hatte ausdrücklich auch den EU-Austeritätskurs von Finanzminister Wolfgang Schäuble kritisiert. nd/mit Agenturen Seite 7
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