Italiens Senat entlastet Flüchtlingsretter im Mittelmeer

Keine Belege für Zusammenarbeit von NGOs mit Schleppern / SOS Méditerranée wehrt sich gegen Anwesenheit von Polizisten auf Rettungsschiff

  • Lesedauer: 3 Min.

Rom. Der Verteidigungsausschuss des italienischen Senats hat Nichtsregierungsorganisationen (NGOs) von Vorwürfen freigesprochen, bei der Rettung von Migranten mit Schleppern zusammenzuarbeiten. Es gebe keine Hinweise, die mögliche rechtswidrige Absprachen zwischen NGOs und Menschenhändlern belegen würden, hieß es in einem am Dienstag verabschiedeten Bericht. Gleichzeitig forderten die Senatoren neue Regeln für den Einsatz der privaten Seenotretter im Mittelmeer.

Nichtregierungsorganisationen sehen sich seit Wochen mit Vorwürfen konfrontiert, mit ihren Einsätzen Migranten anzulocken und damit Schleppern in die Hände zu spielen. Der Verteidigungsausschuss in Rom hatte dazu Vertreter von mehreren NGOs angehört.

Das Gremium stellte nun klar, dass die Rettungseinsätze der Hilfsorganisationen stets unter Regie der italienischen Küstenwache abzulaufen hätten. Zu der Liste von Empfehlungen, die der Verteidigungsausschuss verabschiedete, gehört die Anwesenheit von Polizeibeamten bei der Rettung von Flüchtlingen. Denkbar sei, dass die Polizisten auf den NGOs-Rettungsschiffen mitführen, sagte Ausschusschef Nicola Latorre. Die Mitwirkung von Polizisten sei nötig, um Schlepper daran zu hindern, ihre Boote nach der Rettung der Flüchtlinge durch NGOs zurück nach Libyen zu steuern. Außerdem gibt es den Wunsch, Beweismittel sicherzustellen.

Zivile Flüchtlingshelfer wiesen den Vorstoß der Senatoren zurück. Die internationale Organisation SOS Méditerranée erklärte, sie verfolge eine »humanitäre Mission« und wolle an Bord ihrer Schiffe eine »klare Unterscheidung zu jeglichen polizeilichen oder militärischen Interventionen beibehalten«. Die Mitfahrt von Polizisten würde die Unabhängigkeit des NGO-Einsatzes in Frage stellen.

Der Senat machte auch deutlich, dass Italien nicht das einzige Land sein dürfe, in dem gerettete Migranten ankommen. Die Senatoren schlagen vor, sichere Landepunkte auf libyschem, tunesischem und maltesischem Gebiet unter der Federführung der Internationalen Organisation für Migration (IOM), der Vereinten Nationen (UN) und ihres Flüchtlingshilfswerks UNHCR einzurichten. Angesichts des Chaos, das im Bürgerkriegsland Libyen herrscht, dürfte das allerdings als langfristiges Ziel zu verstehen sein.

Im vergangenen Jahr übernahmen NGOs nach Angaben der italienischen Küstenwache rund ein Viertel aller Flüchtlingsrettungen im Mittelmeer, im laufenden Jahr stieg der Anteil auf ein Drittel. In den vergangenen drei Jahren kamen mehr als 500.000 Bootsflüchtlinge in Italien an.

Österreichische »Identitäre« versuchten Rettungsschiff in Catania aufzuhalten

Wie sehr die Rechte versucht, die ehrenamtlichen Helfer für ihre Propaganda zu benutzen, untermauert auch eine Aktion der rechtsradikalen »Identitäre Bewegung Österreich«. Aktivisten der Gruppierung stellten sich zu Wochenbeginn im Hafen der sizilianischen Stadt Catania mit einem kleinen Boot dem Schiff MS Aquarius der Organisation »SOS Méditerranée« in die Quere, das in Richtung libyscher Küste abfahren wollte. Die Hafenbehörde ist eingeschritten und zwang die Rechtsradikalen zum Verlassen des Areals. Die Aquarius konnte daraufhin ihre Reise wie geplant antreten.

Die Identitären veröffentlichten bei Facebook einen Spendenaufruf für eine »Mission Defend Europe«. Darin drohen sie damit, auf dem Mittelmeer gegen die Schiffe der Nichtregierungsorganisationen vorzugehen. »Helft uns dabei Schiffe zu organisieren, eine Crew aufzustellen und die notwendige Recherche zu betreiben. Außerdem sind wir auf eure finanzielle Unterstützung angewiesen. Denn im Gegensatz zu den NGOs werden wir nicht von der Einwanderungslobby unterstützt.«

Die Hilfsorganisationen würden die »Illusion eines nicht existierenden Eldorados« in Europa nähren, begründeten die Identitären ihre Aktion. Daran beteiligte sich auch die Gruppe »Generazione Identitaria Italia«, das italienische Pendant der österreichischen Bewegung. Agenturen/nd

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!