Nach dem Drama ist vor der Sensation
Im Penaltyschießen gelingt den deutschen Eishockeyspielern der Viertelfinaleinzug bei der Heim-WM. Doch dort wartet Olympiasieger Kanada
Dem bislang besten WM-Spiel gegen Lettland muss nun ein überragendes gegen Kanadas Eishockeykünstler folgen. Nach dem emotionalen Viertelfinaleinzug halten Deutschlands Spieler selbst die Sensation gegen den Titelverteidiger für möglich. »Es ist nicht so, dass man nervös werden muss, nur weil es Kanada ist«, sagte der beim 4:3-Penaltydrama gegen Lettland überragende Torhüter Philipp Grubauer vor dem Highlight an diesem Donnerstag. »Wir können auch Eishockey spielen und können auch mithalten.«
Bundestrainer Marco Sturm ging sogar noch einen Tick weiter und erinnerte an den überraschenden WM-Auftaktsieg vor knapp zwei Wochen gegen das ebenfalls starke US-Team. »Man hat es auch gegen die Amis gesehen, wir können auch große Nationen schlagen. Wir haben absolut nichts zu verlieren«, sagte Sturm, der sein Team mit einem freien Nachmittag für einen Meilenstein in seiner noch jungen Ära belohnte. Am Tag vor dem Viertelfinale stand nur etwas Stretching im Hotel, aber kein Eistraining auf dem Programm. »Ich hoffe, dass die Jungs einfach ein bisschen runterkommen.«
Das nervenaufreibende Duell am Dienstagabend vor 18 797 begeisterten Zuschauern in Köln gegen starke Letten ließen beim deutschen Kapitän Christian Ehrhoff Erinnerungen an 2010 aufkommen. »Die Stimmung ist schon wieder genauso toll«, schwärmte der frühere NHL-Verteidiger. Vor sieben Jahren hatte Deutschland beim bislang letzten Heimturnier ebenfalls ein Entscheidungsspiel um den Einzug in die K.o.-Runde - damals gegen die Slowakei - gewonnen. Dem folgte zwei Tage der Halbfinaleinzug durch ein 1:0 gegen die Schweiz. Der Gegner diesmal ist allerdings ungleich stärker. »Es kommt einiges auf uns zu«, meinte Sturm.
Der Bundestrainer setzt vor allem auf seinen von den Washington Capitals nachnominierten Goalie: »Wir brauchen wieder Grubauer - einen Torhüter, der wie Thomas Greiss in Spiel eins alles hält und für eine Sensation sorgt.« Der 25-jährige Rosenheimer war nach Washingtons Playoff-Aus in der NHL erst am Samstag eingeflogen worden. Nach der Verletzung des eigentlich zum Stammtorhüter auserkorenen Thomas Greiss und den Fehlern von Ersatzmann Danny aus den Birken hat die deutsche Mannschaft nun wieder einen sicheren Schlussmann.
»In solchen Spielen braucht man einen erstklassigen Torwart, und den haben wir heute gehabt«, lobte Sturm den neben dem erneut überragenden Verteidiger Dennis Seidenberg gegen Lettland besten Mann. »Er hat super gehalten, Ruhe ins Spiel gebracht und war sensationell im Penaltyschießen. Er war da, als wir ihn brauchten.«
Sturm hofft gegen das Starensemble Kanadas, das die Gruppe B in Paris souverän gewann, auch auf einen Lerneffekt. 2016 stand das Team bei seiner ersten WM als Bundestrainer ebenfalls im Viertelfinale. Dort unterlag die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes aber Gastgeber Russland mit 1:4 - auch weil niemand so recht an eine Überraschung geglaubt hatte. »Ich denke, dass nun eine andere Mannschaft auftritt als letztes Jahr in Russland«, sagte Sturm. »Ich hoffe, dass die Jungs aus diesem Viertelfinale gelernt haben. Wir brauchen uns nicht zu verstecken, wir haben eine tolle Gruppe.«
Schon zweimal stand Deutschland in der Vergangenheit dicht vor der Sensation. 2003 in Turku schoss Eric Brewer Kanada im WM-Viertelfinale erst in der Verlängerung mit 3:2 zum Sieg. Noch spannender war das Olympiaviertelfinale 1992. Damals wurde selbst die Tagesschau für das Penaltydrama von Meribel verschoben. Zehn Millionen TV-Zuschauer sahen zu, als beim Penalty von Peter Draisaitl der Puck Kanadas Keeper Sean Burke passierte, dann aber auf der Torlinie liegenblieb. Deutschland unterlag 3:4. Drei Jahre später kam Draisaitls Sohn Leon auf die Welt. Der inzwischen 21-Jährige ist heute einer der besten Spieler der Welt und hat am Donnerstag die Chance, Revanche zu nehmen. dpa/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.