Die Wespe sticht wieder
Fechtolympiasiegerin Laura Flessel ist Frankreichs neue Sportministerin
Laura Flessel-Colovic freute sich aufrichtig, nachdem sie vom neuen Premierminister Edouard Philippe ihre Ernennungsurkunde als Sportministerin überreicht bekommen hatte: »Es liegt mir am Herzen, für die Werte des Sports zu arbeiten: Gegen die Diskriminierung, für die sportliche Integration der Behinderten, für Frauen im Sport, für das Ansehen Frankreichs auf internationaler Ebene, für die Bildung unserer Kinder, für Sport auch in den schwierigen Stadtvierteln.« Als Ministerin fängt für die ehemalige Profifechterin ein neues Leben an - ihr drittes.
Rückblende. 1996, Teil eins der Vita der Laura Flessel. Bei Olympia in Atlanta taucht ein neuer Star in den Reihen der französischen Mannschaft auf - in einer Sportart, die seit langem als Domäne der Grande Nation gilt: Fechten. Die 1971 auf Guadeloupe geborene Flessel gewinnt bei den Spielen zwei Goldmedaillen und ist auf Anhieb populär. Ihr Spitzname lautet »La guêpe«, die Wespe. Fein und schmerzhaft sind die Stiche, die sie ihren Gegnerinnen verpasst.
Eine Bilderbuchkarriere folgt, sie gewinnt Silber und Bronze in Sydney 2000 und Athen 2004. Als sie 2012 bei Olympia in London nach einem verfrühten Ausscheiden im Achtelfinale zurücktritt, hat sie so ziemlich alles gewonnen, was es zu holen gibt. Einen dunklen Fleck gibt es in ihrer Karriere aber auch: 2002 fällt kurz vor den Weltmeisterschaften in Lissabon ein Dopingtest positiv aus. Sie soll Coramin, ein Psychostimulans, eingenommen haben. Laura Flessel wird aber nur für drei Monate gesperrt, weil der Fechtweltverband ihrer Argumentation folgt, sie habe die Mittel gegen ihr Wissen eingenommen.
Nach ihrem Rücktritt beginnt für die Frau aus Pointe-à-Pitre ein neues Leben. Ihre Bekanntheit öffnet ihr die Türen für einen Fernsehkarriere, wo sie als Expertin fungiert. Nebenher berät sie eine brasilianische Degenfechterin. Ihre Popularität setzt sie für Themen ein, die sie für wichtig hält: »Seit 15 Jahren drehen sich meine Aktionen um drei Themen: Frauen, Kinder und Sport«, erzählte sie im Januar 2017 gegenüber dem Frauensportsmagazin »Les Sportives«. Sie wolle sich dabei nicht etwa selbst in Szene setzen, sie engagiere sich stattdessen aus echter Überzeugung: »Es reicht nicht, die Gesellschaft, in der wir leben, unaufhörlich zu kritisieren. Wie müssen die Gesellschaft weiterentwickeln und uns konkret dafür einsetzen.«
Laura Flessel wurde konkret: Erst übernahm sie eine Rolle als Botschafterin der NGO »Flying Doctors«, die sich unter anderem für die Ausbildung von Hebammen in Afrika einsetzt. Bald darauf war sie auch UNICEF-Schirmherrin und unterstützte außerdem Projekte, bei denen der Fechtsport auch an abgelegenen Orten ermöglicht wurde. Ihr Arbeitshunger führt sie 2010 zu einem Sitz im Nationalen Rat für Wirtschaft, Soziales und Umwelt, CESE. Drei Jahre später nahm der angesehene Nationale Sportrat sie als »qualifizierte Persönlichkeit« in seine Reihen auf.
Anfang Mai 2017 verbreitete Laura Flessel mit 60 Sportpersönlichkeiten einen Aufruf, mit dem Emmanuel Macron in seinem Kampf gegen Marine Le Pen unterstützt werden sollte. Sie war nie in irgendeiner Partei, was ihr bei Macron zum Vorteil gereichte: Der neue Präsident will Personen aus der Zivilgesellschaft in der Regierung integrieren. Viele frühere Sportminister - oft ehemalige Leistungssportler - waren Parteimitglieder oder hatten sich politisch klar festgelegt, so zum Beispiel Alain Calmat (Eiskunstlauf), Roger Bambuck und Guy Drut (beide Leichtathletik), Jean-François Lamour (Fechten), Bernard Laporte (Rugby) und David Douillet (Judo). Calmat und Bambuck stachen als linksorientiert hervor. Alle anderem Ex-Sportler waren eher konservativ eingestellt, um nicht zu sagen opportunistisch. Laporte und Douillet wurden 2007 und 2011 jeweils von ihrem Freund, dem damaligen Staatsoberhaupt Nicolas Sarkozy ernannt. Sie standen stets für ihre Unfähigkeit in der Kritik, konkret zu handeln.
Mit Flessel soll nun eine neue Ära anbrechen. Anders als unter Sarkozy oder François Hollande wird der Sport nun nicht mehr nur in einem Staatssekretariat verwaltet, sondern in einem eigenen Ministerium. Heikel wird in Zukunft vor allem die Pariser Bewerbung für die Olympischen Spiele 2024. Vor ihrer Nominierung war Flessel schon Mitglied des Unterstützungskomitees Paris2024. Nun wird sie die Bewerbung auch als Politikerin vorantreiben: »Irgendwann muss man sich positionieren und sich fragen: Bin ich fähig, es zu machen?« Laura Flessel umschrieb es am Mittwoch mit einem Scherz. »Ich werde in der Kontinuität meiner Vorgänger arbeiten, aber auf die Art einer Wespe!«
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