Werbung

Matthew Knigge: »Berlin ist ein Safe Space«

Volleys-Mittelblocker Matthew Knigge über sein erstes Jahr in Berlin und das Meisterschaftsfinale gegen seinen Ex-Klub Lüneburg

  • Interview: Lennart Garbes
  • Lesedauer: 7 Min.
Die Berlin Volleys spielten in dieser Saison bereits sechsmal gegen die SVG Lüneburg – dreimal gingen die Niedersachsen dabei als Sieger aus der Halle
Die Berlin Volleys spielten in dieser Saison bereits sechsmal gegen die SVG Lüneburg – dreimal gingen die Niedersachsen dabei als Sieger aus der Halle

Herr Knigge, was ist besser, die Nähe zum Strand in Las Palmas, die Kleinstadtidylle in Lüneburg oder das pulsierende Berlin?

Ich würde sagen, Berlin ist auf jeden Fall die Nummer eins, jetzt, da es etwas sonniger und wärmer ist. Der Strand in Las Palmas ist wahrscheinlich die Nummer zwei, obwohl es im Dezember und Januar in Berlin schon ziemlich kalt und dunkel war. Dann ist das Kleinstadtleben in Lüneburg auf Platz drei. Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich meine Zeit an all diesen Orten genossen.

Sie sind vor der vergangenen Saison vom spanischen Klub CV Guaguas, der auf Gran Canaria spielt, nach Lüneburg gewechselt. Zur aktuellen Saison ging es dann weiter nach Berlin. Das ist eine ganz schöne Reise in drei Jahren.

Ich glaube, das gehört zum Leben als professioneller Volleyballspieler einfach dazu. In den letzten Jahren war ich erst sieben Monate in Las Palmas, dann vier in Orange County südlich von Los Angeles, wo ich im Sommer lebe und auch mit dem Nationalteam der USA trainiere. Dann waren es sechs Monate in Lüneburg und wieder vier Monate in LA. Jetzt werden es acht Monate in Berlin sein und dann geht es im Sommer wieder für vier Monate nach Kalifornien.

Und wie haben Sie sich inzwischen in Berlin eingelebt?

Ich habe in den USA an einer sehr liberalen Universität studiert (Vassar College Anm. d. Red.), die viele beeindruckende Wissenschaftler*innen, aber auch Aktivist*innen für Bürger- und Frauenrechte hervorgebracht hat – Menschen, die leidenschaftlich für das kämpfen, was sie als richtig empfinden. Gleichzeitig war das ein Ort, an dem alle die Freiheit hatten, das sein zu können, was sie sein wollen. Das ist in den USA insbesondere unter den aktuellen politischen Verhältnissen ein heikler Punkt, weil viele Menschen gerade nicht das Gefühl haben, dass sie sich frei entfalten können. Aber hier in Berlin habe ich dieses Gefühl wieder. Ich glaube, Berlin ist in Deutschland und auch in Europa bekannt dafür, dass Menschen hier einen Safe Space finden, an dem sie selbst herausfinden können, wer sie sein möchten.

Trotz Ihres Wechsels nach Berlin war Lüneburg diese Saison aber weiterhin sehr präsent. Sie hatten insgesamt sechs Duelle mit ihrem Ex-Klub, besonders bitter war das Aus in der Champions League. Jetzt gibt es die Chance zur Revanche.

Nach unserem Ausscheiden in der Champions League haben wir noch eine offene Rechnung mit Lüneburg. Obwohl sich ihr Erfolg für mich persönlich auch ein wenig wie mein Erfolg anfühlt, weil ich in der vergangenen Saison Teil ihrer Entwicklung war. Wenn wir nicht gegeneinander spielen, wünsche ich ihnen nur das Beste, weil ich mich auch für meine ehemaligen Mitspieler freue. Aber wenn wir aufeinandertreffen, dann muss man das vergessen und diesen Teil des Kopfes ausschalten. Dann geht es nur darum, gegen sie zu gewinnen, so schnell und deutlich wie möglich.

Interview

Matthew Knigge verdankt seinen Nachnamen seinen deutschen Urgroßeltern. Nach dem Studium begann der US-Amerikaner seine Profikarriere beim deutschen Zweitligisten FC Schüttorf. Seit der Saison 2024/25 spielt der inzwischen 28-Jährige bei den Volleys.

Warum war Lüneburg in dieser Saison so ein schwerer Gegner für die Volleys?

Natürlich sind sie talentiert. Sie schlagen den Ball hart, haben eine gute Höhe und wissen, wie man Volleyball spielt. Aber was sie wirklich erfolgreich macht, ist ihr Teamgeist, der von ihrem Trainer Stefan Hübner vorgelebt wird und den Spielern, die schon lange da sind, wie Gage Worsley, Xander Ketrzynski, aber auch jungen Spielern wie Theo Mohwinkel. Ihr Trainer gibt ihnen sehr viel Freiheit und sie schaffen es sehr gut, auf dem Spielfeld eine positive Energie zu erzeugen, die ihnen hilft, sich von Fehlern und Rückschlägen nicht zu sehr runterziehen zu lassen.

Wie schlägt man so eine Mannschaft?

Wir haben die ersten drei Spiele gegen Lüneburg sehr deutlich gewonnen (3:0 im Ligapokal, 3:1 im Pokal und 3:0 im Hinspiel in der Bundesliga, Anm. d. Red.). Deswegen wissen wir, wozu wir in der Lage sind. Die Duelle, die wir verloren haben, waren alle unglaublich eng. Da haben ein, zwei Punkte über Sieg oder Niederlage entschieden. Deswegen müssen wir jetzt nicht das Rad komplett neu erfinden, weil wir auch in diesen Spielen viel richtig gemacht haben.

Und die Erfahrung spricht auch für die Volleys ...

Unsere Spieler haben zusammen mehrere Hundert Spiele auf höchstem Niveau in den Playoffs, der Champions League und in der Nationalmannschaft gespielt. Lüneburg hat ein sehr talentiertes Team, das diese Saison sehr erfolgreich war, aber wir haben die Spieler, die wissen, wie sich ein Meisterschaftsfinale anfühlt. Wenn du in einer entscheidenden Situation zum Aufschlag gehst, kann sich das manchmal erdrückend anfühlen, wenn 6000 Augenpaare nur auf dich schauen. Wir haben die Spieler, die wissen, wie man mit so einer Situation umgeht.

Sie haben die Situation in Ihrem Heimatland schon angesprochen. Wie verfolgen Sie, was in den USA passiert?

Eigentlich versuche ich mich aktuell von Nachrichten fernzuhalten. Aber ich sehe es trotzdem, weil Freund*innen und ehemalige Komiliton*innen ihre Meinung oder auch ihren Protest in den sozialen Medien teilen. Deswegen reicht auch eine Zehn-Minuten-Pause bei Instagram, um mitzukriegen, was zu Hause los ist.

Ist es gerade sogar einfacher, weit weg von den USA zu sein?

Manchmal ist es einfacher, sich sagen zu können: »Das sind heute nicht meine Probleme«. Aber in drei Wochen werde ich in die USA fliegen und dann sind das sehr schnell auch wieder meine Probleme. Deswegen beschäftigt mich die Situation dort auch, wenn ich nicht zu Hause bin. Und nur weil ich gerade nicht dort bin, heißt das nicht, dass es nicht Probleme gibt für Freund*innen, für meine Familie und für Menschen, die ich in Zeiten wie diesen eigentlich gerne verteidigen und unterstützen würde.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Wie gelingt es Ihnen, da locker zu bleiben in der entscheidenden Phase der Saison?

Ich glaube, das ist einer der großen Vorteile, wenn man in Berlin wohnt. Weil es so leicht ist, wenn wir freihaben, einfach durch die Stadt zu streifen und etwas zu finden, was einem Spaß macht. Aber es hilft mir auch, dass es lange gar nicht mein Plan war, »nur« Volleyball zu spielen. Ich habe als Profi angefangen, weil ich ein Jobangebot in der Ukraine nicht bekommen habe, was rückblickend vielleicht besser so war. Ich bin ins Ausland gegangen, weil es ein Abenteuer war, für eine Weile nicht in den USA zu leben. Im Verlauf meiner Karriere haben sich dann meine Ziele verändert. Aber ich bin immer noch dieselbe Person. Deswegen geht es für mich immer auch darum, mir selber treu zu bleiben, während ich versuche, weiter als Volleyballer erfolgreich zu sein. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass der beste Weg durch eine schwierige Phase nicht ist, sich in etwas Vertrautes zurückzuziehen, sondern aus der eigenen Komfortzone herauszugehen und etwas Neues auszuprobieren. Deswegen genieße ich es sehr, im Ausland und hier in Berlin zu spielen.

Und was sind Ihre persönlichen Ziele für die Finalserie?

Es ist im professionellen Sport immer sehr einfach, sich mit allen um dich herum zu vergleichen. Wer greift am besten an, wer schlägt am besten auf, wer blockt am besten? Aber wenn du ehrlich mit dir sein willst, kannst du dich nur mit dir selbst vergleichen. Deswegen ist diese Saison für mich ein Erfolg, wenn ich sagen kann, dass ich an ihrem Ende ein besserer Spieler bin, als ich es vor acht Monaten war. Natürlich wäre ein Meistertitel ein Hinweis dafür. Aber es ist nicht wirklich ein Beleg, ob ich mich als Individuum verbessert habe. Es heißt nur, dass mein Team an diesem Tag besser war als dein Team. Wenn ich also wirklich aufrichtig mit mir sein will, ob ich in dieser Saison besser geworden bin, kann ich mich nur mit mir selbst vergleichen.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.