Keine Entwarnung: Saudische Frauen behalten den Vormund

Eine PR-Mitteilung der Regierung wurde von Medien kritiklos als gute Nachricht verkauft

  • Fabian Köhler
  • Lesedauer: 3 Min.

An der Geschichte von der saudischen Frauenemanzipation stimmt wohl nichts. Die Nachricht passte nur perfekt zum Saudi-Arabien-Besuch der Kanzlerin. Während Angela Merkel sich in Riad mit saudischen Geschäftsfrauen ablichten ließ, vermeldeten Medien weltweit das Ende des saudischen Vormundschaftssystems. Nach Jahrzehnten der Rechtlosigkeit sollten Frauen in Saudi-Arabien endlich ohne Zustimmung ihres männlichen Aufpassers arbeiten, studieren oder reisen dürfen.

Doch so erfreulich die Meldung von der staatlich genehmigten saudischen Frauenemanzipation auch klingt: An ihr ist sehr wahrscheinlich nichts dran. Die einzige Quelle, auf die sich Medien wie die US-amerikanische »Washington Post«, der britische »Independent«, das Nachrichtenportal »Spiegel Online« oder auch die Frauenzeitschrift »Brigitte« beriefen, ist eine Mitteilung der »Saudischen Menschenrechtskommission« und damit einer Einrichtung des saudischen Herrschaftsapparats.

Diese berichtete Anfang Mai über ein Dekret des saudischen Despoten König Salman ibn Abd al-Aziz vom 17. April. Dieser hatte tatsächlich Behörden angewiesen, Frauen nicht mehr ihre Dienste zu verweigern, wenn sie nicht die Zustimmung ihres Vormundes vorweisen können. Doch schon auf dem Papier hatte die Anweisung eine gewaltige Einschränkung: »Es sei denn, es gibt dafür eine rechtliche Grundlage.« Von dieser Einschränkung ist in vielen Presseberichten allerdings keine Rede.

Dabei lässt gerade dieser Zusatz von einer vermeintlichen Abschaffung des Vormundschaftssystems nahezu nichts mehr übrig. Denn die Diskriminierung von Frauen ist in Saudi-Arabien gesetzlich festgeschrieben. Fast bei jedem Kontakt mit staatlichen Stellen brauchen Frauen die Zustimmung ihres Vormunds, meist Ehemann, Vater oder ältester Bruder: Wenn sie zur Schule gehen, studieren oder reisen wollen, wenn sie ein Gewerbe eröffnen, bei Beantragen eines Passes oder bei bestimmten medizinischen Behandlungen.

Vom Dekret betroffen sind bestenfalls Vormundschaftsregelungen, die über diese Vorgaben hinausgehen. Ein Beispiel. Viele Arbeitgeber verlangen das Einverständnis des Vormunds, bevor sie Frauen einstellen, obwohl das Gesetz dies nicht verlangt. Doch auch die Abschaffung solcher Bestimmungen sieht das Gesetz nicht zwingend vor. Stattdessen haben Behörden drei Monate Zeit, alle Fälle zu melden, in denen sie von Frauen weiterhin die Zustimmung ihres Vormunds verlangen wollen.

Im besten Fall also geht es nicht um das Ende des staatlichen Vormundschaftssystems, sondern lediglich um die Abschaffung willkürlicher Formen von Diskriminierung, die über gesetzliche Bestimmungen hinausgehen. Im schlechten und wahrscheinlicheren Fall tritt allerdings nicht einmal das ein. Stattdessen werden willkürliche Diskriminierungen einfach behördlich formalisiert. Eine Abschaffung der Vormundschaft bedeutet das Dekret in keinem Fall.

Für Medien, die genau dies aber berichten, bedeutet das wiederum: Sie haben nicht nur unkritisch eine Meldung aus dem PR-Apparat des saudischen Herrschaftsapparats als ernst zu nehmende Nachricht verkauft, sie haben sie auch noch zu dessen Gunsten verfälscht.

Glaubwürdige Berichte darüber, dass das Dekret für Frauen bisher irgendwelche positiven Auswirkungen hat, gibt es hingegen bisher nirgends. Die gab es übrigens auch in den Jahren 2009 und 2013 nicht. Schon damals kündigte die wahhabitische Herrscherfamilie eine Abschaffung der Vormundschaft an. Für die rechtlose Bevölkerungshälfte des Landes änderte sich nichts.

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