»Wir betrachten uns als sozialen Zirkus«
Thüringen: Strahlende Gesichter bei den jungen Artisten vom Jenaer Momolo - durch die Schweizer Drosos Stiftung ist die Zukunft gesichert
Am Rande des Jenaer Paradieses hat der Kinder- und Jugendzirkus Momolo seit ein paar Jahren sein Zelt aufgeschlagen. In diese grüne Oase in der thüringischen Stadt kommen mittlerweile über 200 Kinder und Jugendliche, um bei Momolo Akrobatik und Clownerie zu trainieren. Ferienkurse sind dabei nicht mitgerechnet. Friedemann Ziepert ist der Kopf der Institution, die sich durch ihre Zirkus- und Akrobatikprogramme weit über die Stadtgrenzen hinaus einen Namen gemacht hat. Doch der Erfolg ist noch kein Garant für die weitere Existenz. Immer wieder sind die wenigen Angestellten bis an die Leistungsgrenze gegangen, um das Projekt zu erhalten.
Doch nun hat sich die Lage erfreulich geändert: Die auf eine Privatinitiative zurückgehende Drosos Stiftung aus Zürich war auf Momolo aufmerksam geworden, die Art der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die uneingeschränkt mitmachen können, passte ins Profil des potenten Förderers. In den nächsten vier Jahren unterstützen die Schweizer den Zirkus mit einer beträchtlichen Summe, Stadt und Land geben einen ähnlichen Betrag dazu. »Ich habe zehn Jahre darauf hingearbeitet, dass wir einen soliden Partner finden«, sagt Ziepert strahlend. »Jetzt können wir acht Mitarbeiter einstellen, darunter Techniker, Fundraising und auch eine serbische Familie als Hausmeister.«
Das Glück ist Friedemann Ziepert in der Ferne begegnet. Als er mit einer Gruppe in die Jenaer Partnerstadt Bait Dschala nach Palästina fuhr, lernte er dort die Palestinian Cirkus School aus Ramallah kennen, die von Drosos unterstützt wird. So entstand der erste Kontakt. Doch bewerben kann man sich bei der auf Bildung und Armutsbekämpfung ausgerichteten Stiftung nicht, der entsprechende Vorschlag muss aus ihren Reihen kommen. Das Zirkusprojekt hat mit seinem auf Eigenverantwortung ausgerichteten Programm und dem Ansatz, für alle offen zu sein, am Ende überzeugt. »Wir wollen, dass alle Kinder teilnehmen können. Wir betrachten uns als sozialen Zirkus«, fasst Ziepert den Anspruch zusammen. Um Kindern die Freude an Geschicklichkeit und Bewegung zu vermitteln, gehen die Trainer von Momolo auch zu Projektwochen in Jenaer Schulen.
Momolo ist ein »neuer« Zirkus, der sich deutlich von üblicher Zirkus-Unterhaltung abgrenzt. Tiere sind passé und die Vorführung einzelner Nummern ebenso. In Jena kommt jedes Jahr ein Stück auf die Zirkusbühne, an dem nahezu 100 Darsteller mitwirken. In den Programmen vermischen sich verschiedene Kunstformen zu einer Geschichte. Am Sonnabend hat »Momente bei Frau Lampe« Premiere. In der Eigenproduktion geht es um eine alte Frau, die in einem Lampenladen steht. Weil ihr langweilig ist, schwelgt sie in Erinnerungen. Mit Akrobatik, am Trapez und auf dem Einrad werden ihre Lebensstationen in Bildern erzählt.
Die Mitwirkenden sind mit viel Spaß dabei, proben intensiv und springen zwischendrin auch mal zum Abkühlen in die Saale, die in Zeltnähe vorbeifließt. Dafür hat Momolo die passenden Regisseure und Übungsleiter gesucht. Doch inzwischen gibt es auch die ersten Trainer aus den eigenen Reihen. »Momolo-Kinder sollen Verantwortung übernehmen. Wir wollen mit eigenem Nachwuchs den Jugendbereich weiter ausbauen«, erklärt Ziepert eine Säule der künftigen Arbeit.
Das zehnjährige Jubiläum wurde ausgelassen. Dafür wird in diesem Jahr der elfte Zirkusgeburtstag groß gefeiert. Zu den Höhepunkten gehören neben dem eigenen Stück Aufführungen anderer Zirkusprojekte wie Cirkus Zonderhanden aus Brüssel, der im dortigen Problembezirk Molenbeek arbeitet. Mit der Palestinian Cirkus School verbindet Momolo heute noch eine enge Freundschaft. »Uns leitet der selbe Geist«, sagt Zieper: Unterschiedliche soziale Milieus verbinden, die Fantasie anregen, international denken und Kindern eine Heimat schaffen, die sie nie verlieren können.
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