Die Partei, die Partei, die war immer rechts?

Wer mit der DDR neoliberale Symptome erklärt, outet sich als Ewiggestriger mit Mauer im Kopf

  • Roberto J. De Lapuente
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Göttinger Institut für Demokratieforschung ging für die Ostbeauftragte der Bundesregierung der Frage nach, woher ausgerechnet im Osten der Republik diese Affinität für rechtsradikale Ansätze kommt. Das Team um den Politikwissenschaftler Franz Walter hat im wesentlichen einen Faktor gefunden, der die Ostdeutschen tendenziell offen für AfD und Pegida macht: Die DDR. Sie präge die Denk- und Handlungsmuster der Ossis noch immer. Mal mehr, mal weniger. Grundsätzlich sei der Ostdeutsche aber ein verlorener Geselle, denn der SED-Staat habe ihm alles abgenommen, jetzt ist er in eine eigenverantwortliche Welt geworfen. Die DDR wirkt also nach.

Es wäre nicht ganz ehrlich, würde man nun behaupten, die Studie habe sich nicht mit den gegenwärtigen Sorgen und Nöten Ostdeutschlands befasst. Mit Arbeitslosigkeit zum Beispiel. Leih- und Zeitarbeit, befristeten Verträgen und dem Niedriglohnsektor. Mit strukturellen Problemen, die das neoliberale Konzept als Kollateralschäden in seiner Präambel stehen hat. Am Rande kommt das alles vor, zwischen den Zeilen oder mal in einem Nebensatz. Als Beleg für die Gewichtung kann die Wiedergabe von Schlagworten aufführt werden: Der Begriff »Agenda 2010« wird zum Beispiel auf den 232 Seiten nur zweimal erwähnt. »Neoliberal« findet ebenfalls bloß zwei Erwähnungen. Und »Hartz IV« nur fünf. »Niedriglohn« kommt an zwei Stellen vor. Die Abbreviatur »DDR« kann hingegen 279 Nennungen vorweisen, bei der »SED« sind es an die 50.

Das ist ein bequemes Resultat, dass die Bundesregierung gern für sich in Anspruch nehmen kann. Als Administration eines Landes, von dem behauptet wird, es gehe ihm so gut wie nie, ist jede Studie hilfreich, die diese Behauptung nicht antastet. Betont dieselbe Studie dann sogar noch, dass die Fehlentwicklungen des Augenblicks Produkte von früher sind, dann wird sie gleich noch ein bisschen attraktiver, denn sie flankiert die These der gegenwärtigen Wohlstandssphäre.

Der parteiliche Rechtsruck, genannt AfD, sitzt in acht Landesparlamenten, die niemals von der SED geleitet wurden, ganz einfach deswegen nicht, weil sie niemals zur DDR gehörten. In den fünf jetzt nicht mehr ganz so neuen Bundesländern sitzt sie auch. Man könnte auch festhalten, dass der Rechtsruck tendenziell im Osten stärkeren Ausdruck in den Landtagen erhält als im Westen, dass das Phänomen aber grundsätzlich an keinem antifaschistischen Schutzwall abprallt, auch in den alten Ländern Niederschlag findet.

In Baden-Württemberg hat man beispielsweise ganz ohne Vergangenheit mit Ulbricht und Honecker die AfD mit einem starken Mandat ausgestattet. Der dortige Landesverband dieser Partei gehört zu den rechtsradikalsten im Lande. Alles ganz ohne DDR. Die Zahlen der letzten Landtagswahl dort zeigten auf, dass proportional viele Arbeitslose ihren Protest anzeigen wollten, aber auch Leute, die sagten, sie fürchteten den sozialen, den gesellschaftlichen Abstieg. Die Abgehängten halt, man hat viel von ihnen gelesen, als theoretischer Erklärungsansatz geistern sie seit Monaten durch die politische Analyse.

Obgleich wir in einem Zeitalter leben, in dem sozialistische Ansätze keine Chance haben, hat sich die Wahrnehmung doch marxistisch eingestellt. Jedenfalls in der Weise, dass wir heute quasi parteiübergreifend genau die Ansicht vertreten, für die Marxisten stets fochten: Den Materialismus. Der mag zwar nicht dialektisch betrieben werden, aber trotzdem ist auch dem Menschen im kapitalistischen System klar, dass nennenswerte Politik immer mit Wirtschaftspolitik beginnt. Die Verteilungsfrage nimmt hier ihren Anfang. Dass eine Studie in heutiger Zeit darüber so gut wie hinweggeht, wirtschaftspolitische Erklärungsmuster stiefmütterlich in die Ecke stellt und sie versoziologisiert, das ist schon ein kurioser Akt von entpolitisierter Chuzpe. So eine Studie verwischt mehr als sie aufdeckt. Sie schottet die wirtschaftliche Schieflage vor dem politischen Niedergang ab.

Es geht doch nicht um Sachsen oder Schwaben: Es geht um Prekarisierung und wie die das Klima vergiftet. Die DDR hat bestenfalls marginal damit zu tun. Sie ist lange passé. Wer mit ihr neoliberale Symptome erklärt, outet sich als Ewiggestriger mit Mauer im Kopf.

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