Kipping: Europa muss stärker zusammenrücken

Linkspartei fordert Ende des »Duckmäusertums« gegenüber den USA / Kanzlerin sorgt mit Sätzen über transatlantisches Verhältnis für Schlagzeilen

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Berlin. Nimmt Angela Merkel eine Neudefinition des transatlantischen Verhältnisses vor - in einer Bierzelt-Rede in Bayern? Darüber wird seit dem Wochenende eifrig debattiert, der Verlauf des G7-Gipfels hatte die Zerrissenheit zwischen Europa und den USA bereits gezeigt. Dann sagte die Kanzlerin: »Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen.« Und: »Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen erlebt.« Merkel sagte auch, es müsse natürlich bei der Freundschaft zu den USA und Großbritannien bleiben. Dabei schwang aber ein unausgesprochenes Aber mit.

Linkspartei-Chefin Katja Kipping hat indes zu einer härteren Gangart gegenüber Trump aufgerufen. Deutschland müsse »mit dem Duckmäusertum gegenüber den USA« aufhören, sagte Kipping am Montag zu »Bild«. Sie forderte unter anderem »eine klare Kante gegen das Aufrüstungsdiktat von Trump«. Der Drohnen-Krieg, der auch von dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz aus gesteuert werde, müsse sofort gestoppt werden. Das freundlichste, was ihr zu dem US-Präsidenten einfalle, sei, »dass er ein infantiler Narzisst ist«, so Kipping weiter. Als Antwort auf Trump müsse Europa stärker zusammenrücken. Dazu gehöre aber auch, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble seine »Oberlehrer-Rolle« ablegen müsse, erklärte die Politikerin.

Jürgen Trittin von den Grünen pflichtete Kipping bei. Die Europäer müssten »endlich das ernst nehmen, was Trump sagt«. Die Bundeskanzlerin habe beim G7-Gipfel einen »Realitätsschock« erlitten, fügte Trittin hinzu. Die Antwort auf Trump müsse ein »gemeinsames, gestärktes Europa« sein, forderte auch er. Dennoch dürfe der Dialog mit den USA nicht abreißen.

Für »Spiegel Online« hat Merkel »explosive Sätze« ausgesprochen. Sie habe »relativ offen gesagt, dass sie die USA nicht mehr als uneingeschränkt verlässlichen Partner sieht«, schrieb das Onlinemagazin. Auch in den US-Medien wurden die Sätze der CDU-Vorsitzenden aufmerksam verfolgt. »Merkel schlägt ein neues Kapitel der US-europäischen Beziehungen auf«, schrieb die »Washington Post« und sprach von einer »düsteren Auslegung der transatlantischen Bindungen, die das Fundament der Sicherheit des Westens in Generationen seit dem Zweiten Weltkrieg waren«. Merkel habe sich eindeutig gegen Trump gewandt, so das Blatt: »Sie hat ihn glasklar zurückgewiesen, ohne ihn ein einziges Mal beim Namen zu nennen.«

»Die Kanzlerin, Europas einflussreichste Anführerin, schaut bereits über Trump hinaus«, schrieb die »New York Times«. Erkennbar enttäuscht habe sie aus den Begegnungen beim G7-Gipfel geschlossen, dass die USA unter Trump ihrem Land und ihrem Kontinent nicht mehr der verlässliche Partner seien, an dem man sich früher wie automatisch orientiert habe. »Dieses ist eine bedeutende Rede in der Restrukturierung der Weltmächte«, befand der Medienwissenschaftler Jeff Jarvis. »Wer bei Sinnen ist, muss ein starkes Europa unterstützen, um Russland zu kontern - und Trump.«

Die SPD nutzte Merkels Vorlage für Kritik an der Kanzlerin. »Merkels Erkenntnis kommt spät und ist auch ein Eingeständnis, dass ihre Strategie, Trump zu umarmen, gescheitert ist«, sagte der Außenpolitiker Niels Annen. Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz meldete sich mit Kritik an der US-Regierung in den Medien zu Wort. »Trump hat sich im Kreis der G7 mit fehlerhaften Analysen und fortwährender Wahlkampfrhetorik isoliert«, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland und verlangte eine entschiedenere Haltung Europas gegen den umstrittenen Präsidenten, »der ja andere demütigen will. Der ja im Stile eines autoritären Herrschers auftritt«.

Linkspartei-Chef Bernd Riexinger sagte, mehr Eigenständigkeit »gegenüber den USA darf in keinem Fall als Alibi für eine europäische Aufrüstung missbraucht werden«. Zuvor hatte Schulz eine engere Zusammenarbeit zwischen den EU-Staaten gefordert. »Eine stärkere Kooperation der europäischen Staaten auf allen Ebenen ist die Antwort an Donald Trump«, sagte Schulz am Sonntagabend in der ARD. »Und vor allen Dingen dürfen wir uns nicht der Aufrüstungslogik von Trump unterwerfen«, fügte der SPD-Politiker mit Blick auf Trumps Forderungen nach höheren Verteidigungsausgaben von Ländern wie Deutschland hinzu. Es sei falsch, »dass wir zwei Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts, das heißt 20 bis 30 Milliarden Euro mehr, auf Anfrage von Herrn Trump ausgeben sollen, um unsere Armee aufzurüsten«. Dem würde sich eine SPD-geführte Bundesregierung »ganz klar in den Weg stellen«.

Indirekt übte Schulz Kritik an Merkel: »Ich glaube, man hätte sich auch schon auf dem NATO-Gipfel, aber ganz sicher auf dem G7-Gipfel sehr deutlich positionieren müssen«, sagte er in der ARD. Schulz verwies darauf, dass sein SPD-Genosse Gerhard Schröder während seiner Kanzlerschaft gegenüber dem damaligen US-Präsidenten Georg W. Bush klar Haltung bezogen hatte. Er erwarte, »dass wir auch jetzt wieder eine solche Haltung einnehmen«, so Schulz. Agenturen/nd

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