Poggenburgs Truppe vor Dominoeffekt?

Erster Austritt aus Fraktion von Sachsen-Anhalts AfD

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Die AfD in Sachsen-Anhalt ist vom Lauf der Dinge überrumpelt. »Unsere Fraktion unter Vorsitz von André Poggenburg besteht aus 25 Abgeordneten«, hieß es auch am Dienstag im Internet. Die Aussage stimmt indes nicht mehr, seit Sarah Sauermann ihren Austritt erklärte. Die 28-Jährige, die bei der Wahl im Frühjahr 2016 ein Direktmandat in Bernburg gewonnen hatte, sagte, sie könne die Zustände in der Fraktion nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren.

Erwartet wird, dass es nicht bei diesem einen Austritt bleibt. SPD-Landeschef Burkhard Lischka sagt, es sei »der erste Dominostein gekippt«; das werde aber »nicht der letzte Abgang bei Kim Jong Poggenburg« sein. Er spielt damit auf den vermuteten Auslöser für die Abspaltung an: die harte Linie des Fraktionschefs gegen interne Kritiker, die einige an den Machthaber in Nordkorea denken lässt. Sie hatte Mitte Mai zur Ablösung etlicher Abgeordneter von ihren jeweiligen Sprecherposten geführt. Gottfried Backhaus, einer der Betroffenen, sprach daraufhin von einer »Säuberungsaktion«.

Unterschiedliche Ansichten zur politischen Ausrichtung der Partei liegen den Querelen nicht zugrunde - anders als etwa in Sachsen, wo sich derzeit der Konflikt zwischen gemäßigteren Kräften um Bundeschefin Frauke Petry und Vertretern des stramm rechten Lagers um den Richter Jens Maier zuspitzt, den Petry aus der Partei ausschließen lassen will. Maier ist ein Anhänger des Thüringer Parteichefs Björn Höcke - ebenso wie Poggenburg und seine Truppe. In einer Bilanz ein Jahr nach Einzug der AfD in das Magdeburger Parlament konstatierte der Verein »Miteinander«, die Partei habe eine »politische Selbstradikalisierung« vollzogen und fahre eindeutig einen »völkisch-nationalistischen« Kurs. Dass es gleichzeitig »erhebliche Fliehkräfte« gebe, ist nicht in politischen Differenzen begründet, sondern im »Ringen um die innere Machtstruktur«.

Dieser Machtkampf schwelt seit Monaten. Bereits ein halbes Jahr nach der Landtagswahl, bei der die AfD mit mehr als 24 Prozent und 15 Direktmandaten ihren bisher größten Triumph in einem Bundesland erzielt hatte, entmachtete Poggenburg seinen bis dato einflussreichsten Kontrahenten, den parlamentarischen Geschäftsführer Daniel Roi aus Bitterfeld, mit dem Sauermann zeitweise liiert war. Im Februar stand Roi sogar vor dem Ausschluss; erst ein nach einer Nachtsitzung geschlossener Burgfrieden verhinderte den Bruch. Zur Eskalation beigetragen hatten die unklaren Umstände der Entlassung einer Referentin, die einem Abgeordneten vorwarf, sie auf einer Dienstreise sexuell belästigt zu haben. Die Informationspolitik des Vorstandes gegenüber der Fraktion löste Kritik aus; auch Sauermann stellte dem Vernehmen nach unbequeme Fragen. Poggenburg indes sah »Verschwörer« am Werk, die kaltzustellen waren. So verlor Backhaus seinen Posten als Kreischef im Saalkreis an Hans-Thomas Tillschneider, führender Kopf der »Patriotischen Plattform« und treuer Vasall des Landeschefs. Zuletzt wurden auch mehrere Direktkandidaten für die Bundestagswahl ausgetauscht.

Abzuwarten bleibt, wie schnell Sauermanns Fall Nachahmer findet. Die »Mitteldeutsche Zeitung« schreibt, bis zu acht Abgeordnete spielten mit dem Gedanken, die Fraktion zu verlassen, was locker für die Gründung einer neuen reichen würde. Mancher fühlt sich bereits an das Schicksal der DVU im Land erinnert. Diese war 1998 mit 12,9 Prozent in den Landtag von Sachsen-Anhalt gewählt worden. 1999 gab es die vier ersten Austritte; im Jahr 2000 flog die Fraktion endgültig auseinander.

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