G7 sind gleicher als die anderen

Alberto Acosta plädiert für einen grundlegenden Neustart der Vereinten Nationen

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Aus dem Zweiten Weltkrieg, der zweiten großen Katastrophe des vergangenen Jahrhunderts, sind die Vereinten Nationen hervorgegangen. Ihr Ziel war und ist der Aufbau eines internationalen Rahmens zur Sicherung des Friedens. Dabei handelt es sich um den zweiten Versuch, nachdem der Völkerbund gescheitert war. Seitdem sind wir Zeugen einer langen Geschichte des Scheiterns dieses heeren Friedenszieles.

Denn bis heute werden die Vereinten Nationen zerdrückt vom Gewicht einer überbordenden Bürokratie und vor allem von der wachsenden Komplexität bestehender Probleme, die sich mangels struktureller Antworten immer weiter verschärfen. Perverserweise wird die UN ausgerechnet auch vom Gewicht ihrer Mitglieder geschwächt. Von Regierungen, die weder an einer Welt mit der Wahrung echter Menschenrechten, noch an einer Welt mit der Wahrung der Rechte der Natur interessiert sind.

Dazu kommt die Macht der G7. Der informelle Zusammenschluss der mächtigsten Industrienationen drückt die G193, sprich die Gesamtheit der Vereinten Nationen, an den Rand. Kanada, Frankreich, USA, Italien, Japan, Großbritannien und die Europäische Union sind die »Gruppe der Sieben«. Sie wurde 1973 gegründet und vereint die politische, ökonomische und politische Macht der Welt auf sich. Diese Länder, die alle auch UN-Mitglieder sind, verfügen über 60 Prozent des globalen Reichtums. Klar ist, dass sich diese Staaten aufgrund ihrer strukturellen Gleichförmigkeit innerhalb der kapitalistischen Zivilisation auch untereinander koordinieren, um die gemeinsame Ziele auch durchzusetzen.

Der Auschluss Russlands im Verlauf des Ukraine-Konflikts zeigt, dass die G7 gewillt sind zu verhindern, dass sich andere Staatenblöcke bilden, welche die Macht, die ihre Wurzeln im alten und neuen Kolonialismus haben, in Frage stellen. Und die G7 sind sich dieser Bedrohung ihrer Macht im Klaren, denn es gab bereits Versuche in diese Richtung, etwa durch die Gründung der G77, 1964 mitten im Kalten Krieg, die heute 134 Mitglieder hat, ohne großen Einfluss auf die globalen Machtungleichgewichte. Der Versuch der BRICs von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika war ebenfalls ein begrenzter Versuch außerhalb der Vereinten Nationen ein Gegengewicht zu schaffen. All das erinnert an George Orwells »Farm der Tiere«, wo zu Beginn das Mandat »Alle Tiere sind gleich« ausgerufen wurde, sich im Laufe der Geschichte jedoch verwandelte in »Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher als die anderen«.

Es besteht kein Zweifel: Es gibt gleichere Staaten als andere. Und einige, wie die USA, sind sogar noch gleicher. Donald Trump hat bei seiner jüngsten Europareise seine Vormachtstellung unter Beweis gestellt. Von der Europäischen Union forderte der Magnat aus New York mehr Tatkraft gegen Russland, mehr Terrorbekämpfung und mehr Rüstungsausgaben. Auch solle Brüssel die harten Positionen von Washington gegen Migranten übernehmen. Auch hat Trump angekündigt, jedes Engagement in der internationalen Klimapolitik zu unterlassen, die im Pariser Klimaabkommen vom Dezember 2015 vorgeschlagen werden, und mit dem der Klimawandel aufgehalten werden soll. Einem Vertrag, von dem wir wissen, dass er völlig unzureichend ist in seinen Maßnahmen. Und schließlich beschwerte sich Trump über die exportorientierte Handelspolitik der deutschen Regierung.

Kanzlerin Angela Merkel hat diese Botschaft verstanden. Und beschwerte sich bitter darüber, dass Europa sein Schicksal endlich in die eigene Hand nehmen müsse. Die Zeiten der Abhängigkeit von anderen seien vorbei, so Merkel. Das G7-Treffen im italienischen Taormina hatte die mächtigste Frau des Kontinents als eine Zusammenkunft »Sechs vs. Einen« ausgerufen, dementsprechend enttäuschend waren die Ergebnisse. Wenn sich also nach ein wenig mehr als vier Monaten Trump-Regierung, die die diplomatischen, politischen, handels- und militärpolitischen Interessen eines mit den USA verbündeten Europas beeinträchtigen, Widerstand regt, was sollen dann die an den Rand gedrängten, ungleichen Länder der Erde sagen? Länder, die eben nicht das Privileg genießen, Mitglied dieser auserwählten »Gruppe« zu sein?

Was wir brauchen ist der Beginn eines Wandels, der sich auf »die Substanzen«, nicht nur auf die Formen wie Institutionen und Gesetzgebungen konzentriert, ganz so wie es die Mexikanerin Ana Esther Ceceña fordert. In unsere Köpfe muss die Notwendigkeit einer neuen Ära. Die Postmoderne gilt es genau so zu überwinden wie die Epoche der Weberschen Entzauberung der Welt. Auch die Vorstellung vom Fortschritt, verstanden als eine permanente Akkumulation materieller Güter, Technologien und Wissen muss überdacht werden. Utopien müssen bewahrt werden, wie sie etwa das Paradigma vom Guten Leben (»Vivir Bien«) vorschlagen.

Es müssen Bedingungen geschaffen werden, damit die Regierungen aller Länder im Dialog mit der eigenen Zivilgesellschaft Subjekte beim Aufbau eines neuen internationalen Systems werden. Nicht ein Akteur darf aus diesem Prozess ausgeschlossen bleiben. Die Grundsatzfrage lautet: Wie können die unaufschiebbaren Veränderungen Wirklichkeit werden? Wie können sich neue Instituitionen herauskristallisieren, neue Weltgesetze, wenn die mit globaler Macht ausgestatteten Gruppen nicht bereit sind ihre Privilegien aufzugeben?

So schwierig es erscheint, der Wandel muss von den Strukturen der Vereinten Nationen ausgehen, bis zum heutigen Tag die einzige Organisation, welche eine gemeinsame internationale Souveränität vertritt. Von den Vereinten Nationen, vorausgesetzt sie erfähren eine tiefe demokratische Neuordnung.

Bis sich global tragfähige und langlebige Vorschläge durchsetzen, müssen Organismen auf regionaler Ebene gebildet werden. Sie können das Fundament einer neuen Weltinstitution sein. Nachbarländer, die untereinander stärkere Bindungen haben, können sich zusammenschließen, ihre Absichten verfolgen und ihre produktiven, finanziellen, handel-, arbeits-, umwelt- und technologiepolitischen sowie politischen Beziehungen untereinander regeln.

Auf internationalem Niveau sollte sich jeder dieser regionalen Räume in einem System der Knoten miteinander verknüpfen, um so das Gewicht einer einzigen, von einigen wenigen Nationen beherrschten Weltinstanz zu minimieren. Das Ergebnis wäre die Fragmentarisierung der globalen Machtkonzentration, während sich die Welt des Kapitals zur selben Zeit selbst dekonstruiert. Der Machtmissbrauch einiger weniger Länder über den Rest könnte so teilweise neutralisiert werden.

Diese Anstrengung muss von der Straße getragen sein. Von dort aus muss die - immer friedliche - Unzufriedenheit der weltweiten Mehrheit der Erdenbewohner gehört werden, während sich zeitlich Alternativen verfestigen. Der nächste Termin der wütendeten Menschheit ist im Juli, wenn sich die G20 treffen, in den Straßen von Hamburg.

Übersetzung: Benjamin Beutler

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