Israel: Hunderte Stellen in staatlicher Sendeanstalt gestrichen

Regierung von Netanjahu machte aus einer Reform die Schließung der Israel Broadcasting Authority / Weitere Teilnahme am ESC gefährdet

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf den ersten Blick ist alles wie immer: Wer das Radio einschaltet, hört dieselben Stimmen wie früher, im Fernsehen sind die Gesichter dieselben geblieben. »Aber jenseits der Kameras ist es leer geworden«, sagt Avraham Cohen vom Gewerkschaftsdachverband Histadruth: »Wir wissen noch nicht genau, wie viele Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gefeuert wurden, aber es dürften 700, 800, vielleicht sogar 1000 sein.« Nach deutschen Maßstäben wäre das ungefähr mit der Schlecker-Pleite vergleichbar.

Nur dass es sich hier um einen Arbeitsplatzabbau mit Ansage und auf Geheiß der Regierung handelte: Denn die Raschuth HaSchidur, international bekannt unter der englischen Bezeichnung Israel Broadcasting Authority (IBA), galt als teuer, als ineffizient und die Qualität der acht Radio- und weiteren Fernsehprogramme war umstritten. Manchen, darunter auch Regierungschef Benjamin Netanjahu, waren die Nachrichten zu linkslastig, andere monierten die geringen Marktanteile, forderten modernere Formate.

Drei Jahre lang wurde über die Reform gestritten, dann vereinbart, dass die IBA durch eine völlig neue Anstalt namens Kan (Hier) ersetzt wird. Dass es dennoch so lange dauerte, lag daran, dass Netanjahu versuchte, die journalistischen Formate gleich ganz unter Kontrolle der Regierung zu bringen. Zunächst blockierte er den für Anfang Januar geplanten Sendestart von Kan. Dann setzte er im April bei seinen Koalitionspartnern die Auslagerung der Redaktion in ein eigenständiges Unternehmen durch, was der Regierung die Möglichkeit geben würde, direkten Einfluss auf Personalentscheidungen zu nehmen.

Und dann ging alles ganz schnell: Wenige Stunden, bevor sich der israelische Sänger Imri Ziv für das Finale des Eurovision Song Contests qualifizierte, erfuhr die Redaktion von Mabat, der israelischen Version der Tagesthemen, dass die nächste Sendung die letzte sein werde. Während des ESC verabschiedete sich der israelische Punktesprecher Ofer Nachschon dann mit emotionalen Worten vom internationalen Publikum.

Denn Kan ist kein Mitglied der Europäischen Rundfunkunion EBU, die den ESC veranstaltet. Gewerkschaft und ehemaligen IBA-Mitarbeitern wäre es lieb, wenn das auch vorläufig so bliebe: Es geht um Arbeitsplätze, aber auch um Inhalte. Der ehemalige IBA-Betriebsrat bezweifelt, dass Kan so viel billiger sein wird als die Vorgängersender; vor allem werde er abhängiger von der Politik sein. Denn selbst wenn der Oberste Gerichtshof, wo gerade gegen die Auslagerung der Nachrichtenagentur geklagt wird, diesen Schritt am Ende verbieten sollte: Mangels Personal wird die Redaktion einen Großteil des Programms bei externen Produktionsfirmen in Auftrag geben müssen, die wiederum hohe Preise verlangen, und freie Mitarbeiter - viele davon ex-IBA-Redakteure - zu meist prekären Bedingungen beschäftigen.

Und so hofft man nun darauf, dass die EBU ihre Statuten durchsetzt. Die sehen vor, dass alle Mitgliedssender eigene Nachrichtenredaktionen haben und journalistisch unabhängig sind. Denn der ESC wird in Israel durchaus ernst genommen; das Statement von Punktesprecher Nachschon während der Sendung erregte Aufsehen: 1973 trat man erstmals an, um das nach dem Sechs-Tage- und dem Jom Kippur-Krieg in der Öffentlichkeit sehr tief sitzende Gefühl der internationalen Isolation zu durchbrechen. Mehrmals war der ESC auch im Parlament Thema, mussten sich die zuständigen Mitarbeiter für die Beitragsauswahl rechtfertigen.

Dass sich die Rundfunkunion, wie von Mitarbeitern und Gewerkschaft gefordert, gegen eine Aufnahme sperren, gar Druck ausüben wird, ist unwahrscheinlich - schon deshalb, weil sich unter den Mitgliedssendern auch Stationen aus Ägypten, Libyen oder Belarus befinden, die weit von jeglicher Unabhängigkeit entfernt sind.

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