Italien schlittert in Regierungskrise
Außenminister Angelino Alfano kündigt Koalition mit regierenden Demokraten auf
Es hätte ein ruhiges Wochenende in Italien werden können: Staatsfeiertag am Freitag, Brückentag am Samstag. Zeit genug, um ein paar Stunden am Meer zu verbringen. Stattdessen kamen beunruhigende Nachrichten aus der römischen Politik. Die Regierung droht zu platzen.
Außenminister Angelino Alfano, Chef des Juniorkoalitionspartners Alleanza popolare, (Ap) hat die Zusammenarbeit mit der Demokratischen Partei aufgekündigt. Anlass war die Attacke des Pd-Chefs Matteo Renzi: »Seit Jahren hast Du allen möglichen Regierungen als Minister gedient, doch die Fünf-Prozent-Hürde wirst Du mit Deiner Partei nicht nehmen.«
Alfanos Replik darauf war bitter: Renzi möge sich klar äußern, ob er die Regierung Paolo Gentilonis zu Fall bringen wolle. Und im übrigen, so Alfano auf einer Pressekonferenz, werde Ap die Sperrklausel im neuen Wahlgesetz respektieren.
Alfanos politische Karriere begann als Rechtsbeistand Silvio Berlusconis. Dem aus Sizilien stammenden Juristen war es zu verdanken, dass etliche gegen Berlusconi gerichtete Prozesse in die Verjährung verschleppt wurden. Als Dank dafür stieg er innerhalb von Forza Italia und später Popolo della Liberta auf. Als Justizminister unter Berlusconi versuchte er mit einem speziellen Gesetz die weitere juristische Verfolgung seines Partei- und Regierungschefs zu unterbinden.
Nach dem Ende der Berlusconi-Ära wurde Alfano 2013 Innenminister in der Regierung Enrico Lettas. Diese Funktion behielt er auch unter Matteo Renzi bei. Inzwischen hatte er sich mit Berlusconi überworfen und die Neue Rechte Mitte (Ncd) gegründet.
Nach dem Rücktritt Renzis und der Ernennung Paolo Gentilonis als Regierungschef trat Alfano dessen Nachfolge im Außenamt an. Seit März firmiert Ncd als Alleanza popolare. Mit der Partei, die sich dem christlichen Zentrum verpflichtet fühlt, will Alfano im Wahlkampf antreten. Derzeit jedoch liegt die bürgerliche Splitterpartei bei etwa 2,2 Prozent der Wählergunst. Alfano selbst könnte - würde nach dem jetzt vorgeschlagenen deutschen System gewählt - allenfalls auf ein Direktmandat hoffen.
Es war nicht gerade als ein freundlicher Akt anzusehen, wie Matteo Renzi im Januar 2014 den Pd-Politiker Enrico Letta aus dem Amt drängte. Dies noch in deutlicher Erinnerung, beobachten die Italiener derzeit, wie der als »Verschrotter« benannte Florentiner Renzi seine Rückkehr ins Regierungsamt vorbereitet.
Die Skepsis gegen Renzi wird noch von verärgerten Berichten diverser Alfano-Parteigänger genährt. So erklärte Ap-Vorstandsmitglied Sergio Pizzolant, dass Renzi bereits seit Februar die Alfano-Vertreter in der Regierung auffordere, Gentiloni fallen zu lassen. Im Gegenzug hätte er der Partei eine Wahlsperrklausel von nur zwei oder drei Prozent versprochen. Trocken sagte Alfano: »Renzi will Gentiloni stürzen? Kann ich nicht dementieren.«
Mit diesen Prämissen wird am Montag das Abgeordnetenhaus die Arbeit aufnehmen und ein neues Wahlgesetz, das sich am deutschen Vorbild orientiert, zur Abstimmung bringen. Ginge es nach Renzis Vorstellungen, sollte die Parlamentswahl parallel zur deutschen am 24. September abgehalten werden. Bis dahin wird jedoch noch etliches Wasser den Tiber hinunterfließen und neue Turbulenzen in Rom dürften zu erwarten sein. Die Börse goutiert dies nicht und bleibt im Negativtrend, der Zinsunterschied zu deutschen Anleihen neigt dazu, die 200-Punkte-Marke zu überspringen. Feiertagsstimmung mochte da nicht aufkommen.
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