Demonstrationsverbote in Frankreich sind verfassungswidrig

Verfassungsgericht hebt Passus des geltenden Ausnahmezustands auf / Aufenthaltsverbote wurden bei Protesten gegen das »Loi Travail« verhängt

  • Lesedauer: 2 Min.

Paris. Der Pariser Verfassungsgericht hat einen Passus des geltenden Ausnahmezustands für verfassungswidrig erklärt, der zum Verbot der Teilnahme an Demonstrationen genutzt wurde. Nach der Regelung können die Behörden Einzelpersonen den Aufenthalt an bestimmten Orten verbieten. Der Verfassungsrat hob sie am Freitag auf - allerdings erst mit Wirkung zum 15. Juli, wenn der Ausnahmezustand nach aktueller Rechtslage ausläuft. Die Regierung will dem Parlament aber vorschlagen, die Sonderrechte für Behörden bis November zu verlängern.

Der Ausnahmezustand war nach den Pariser Terroranschlägen vom November 2015 verhängt und seitdem mehrere Male verlängert worden. Die Möglichkeit der Aufenthaltsverbote war vor allem im Zusammenhang mit Protesten gegen die umstrittene Arbeitsmarktreform und den damit verbundenen Demokratieprotesten der Bewegung »nuit debout« im vergangenen Jahr in die Kritik geraten.

Bei den monatelangen Demonstrationen war es mehrfach zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Protestierenden gekommen. Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International wurde damals 574 Menschen die Teilnahme an Protesten untersagt. Amnesty warf Frankreich vor, unter dem Mantel des Anti-Terror-Kampfes die Versammlungsfreiheit zu beschränken.

Der Verfassungsrat urteilte, dass das Sonderrecht für die Behörden zu weit gefasst sei: Sie können Aufenthaltsverbote gegen jeden verhängen, der das Handeln der Sicherheitskräfte »zu beeinträchtigen sucht«. Die Verfassungshüter verzichteten auf eine sofortige Aufhebung, um dem Parlament Zeit zu geben, eine verfassungskonforme Regelung zu beschließen.

Frankreich war in den vergangenen zweieinhalb Jahren Ziel mehrerer schwerer Terroranschläge, bei denen fast 240 Menschen ermordet wurden. Die Regierung reagierte darauf mit der Verhängung des Ausnahmezustands. Neben Aufenthaltsverboten beinhalten die Sonderregelungen Hausarreste, Wohnungsdurchsuchunge und Ausgangssperren ohne richterlichen Beschluss. Die französische Regierung unter François Hollande ließ den Ausnahmezustand seit November 2015 insgesamt fünfmal verlängern. Ende Mai hat auch Emmanuel Macron eine weitere Verlängerung angekündigt. dpa/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.