Macrons Bündnis nach Parlamentswahl stärkste Kraft
Bewegung des französischen Präsidenten kann mit absoluter Mehrheit rechnen / Erstmals wählte die Mehrheit gar nicht
Update 11.15 Uhr: FDP- und Grünen-Europaabgeordnete gratulieren Macron
Deutsche Europapolitiker haben sich erfreut über den Erfolg des Lagers von Emmanuel Macron in der ersten Runde der französischen Parlamentswahl geäußert. Der neue französische Präsident wolle Europa nach vorn bringen und Frankreich von innen heraus stark machen, sagte der Vizepräsident des EU-Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), am Montag im Bayerischen Rundfunk. Dies sei auch im Interesse Deutschlands.
Der europäische Grünen-Chef Reinhard Bütikofer forderte dazu auf, Macron dabei zu unterstützen, die Lage in Frankreich zum Besseren zu wenden. »Europa muss auf den Erfolg von Macron setzen und für die gemeinsamen Ziele unserer Union mit ihm kooperieren«, kommentierte der Europaabgeordnete. Der Aufbruch des Franzosen sei kein Selbstläufer - auch wenn Macron voraussichtlich mehr Macht haben werde als viele seiner Vorgänger.
Nach der Auszählung der Stimmen kamen Macrons Partei und ihre Verbündeten in der ersten Wahlrunde am Sonntag auf rund 32 Prozent. Laut Meinungsforschern kann das Präsidenten-Lager bei der entscheidenden Runde am kommenden Sonntag mit 400 bis 455 der insgesamt 577 Sitzen rechnen.
Update 8.00 Uhr: FN bleibt hinter ihren Erwartungen zurück
Die französische Rechtsradikale Marine Le Pen zieht in die zweite Runde der Parlamentswahl ein. Die Front-National-Chefin landete in ihrem nordfranzösischen Wahlkreis im ersten Wahlgang an erster Stelle, wie sie am Sonntagabend sagte. Sie erzielte nach eigenen Angaben knapp 45 Prozent der Stimmen und wird im zweiten Wahlgang gegen die Kandidatin der Bewegung La République en Marche von Staatschef Emmanuel Macron antreten.
Auch FN-Vize Florian Philippot landete in seinem Wahlkreis vorn und zieht damit in die Stichwahl am kommenden Sonntag ein. Dagegen schied Front-National-Generalsekretär Nicolas Bay in seinem Wahlkreis aus.
Die rechtsradikale Partei kam in der ersten Runde der Parlamentswahl auf rund 13,2 Prozent. Berechnungen sagen der Front National nach der zweiten Wahlrunde höchstens zehn Abgeordnetenmandate voraus. Die Partei würde damit ihr Mindestziel verfehlen, mit einer Fraktionsstärke von mindestens 15 Abgeordneten in die Nationalversammlung einzuziehen. In der letzten Nationalversammlung stellte die FN zwei Abgeordnete.
Update 7.28 Uhr: Frankreichs Sozialdemokraten räumen »beispiellose« Niederlage ein
Die französischen Sozialdemokraten haben ihre Niederlage bei der Parlamentswahl eingeräumt. PS-Parteichef Jean-Christophe Cambadélis sprach am Sonntag von »beispiellosen Verlusten der gesamten Linken, und insbesondere der Sozialistischen Partei«. Die Formation des früheren Staatschefs François Hollande kam in der ersten Runde auf nur noch rund neun Prozent der Stimmen.
Laut Berechnungen büßt die PS damit massiv Sitze in der Nationalversammlung ein. Nach der Stichwahl am kommenden Sonntag können sie nur noch mit 15 bis 40 Mandaten rechnen, im alten Parlament hatten sie mit 277 Abgeordneten die Mehrheit.
Update 21.05 Uhr: »Keine Mehrheit für Zerstörung des Arbeitsrechts«
Der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon verwies in seinem Kommentar zur Wahl auf die niedrige Wahlbeteiligung: »Die Stimmenthaltung zeigt, dass es in diesem Land keine Mehrheit gibt, um das Programm der Zerstörung des Arbeitsrechts anzuwenden.«
Update 20.50 Uhr: PS-Chef warnt vor Fehlen einer Opposition
Nach dem klaren Sieg des Lagers von Präsident Emmanuel Macron in der ersten Runde der französischen Parlamentswahl haben die abgestraften Sozialdemokraten vor einem Parlament ohne echte Opposition gewarnt. »Heute Abend deutet alles darauf hin, dass die absolute Mehrheit bereits (für Macron) gesichert ist«, sagte der Chef der Sozialistischen Partei (PS), Jean-Christophe Cambadélis, am Sonntag. Falls diese Mehrheit im zweiten Wahlgang am kommenden Sonntag noch gestärkt werde, »werden wir eine Nationalversammlung ohne echte Kontrollmacht und ohne demokratische Debatte haben«.
Update 20.40 Uhr: Martin Schulz spricht lieber über Macron als über die PS
Kein Wort verliert der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz über den Absturz der französischen Sozialdemokraten auf rund zehn Prozent. Auf Twitter schrieb Schulz: »Freue mich über das gute Ergebnis für @EmmanuelMacron. Um Europa zu reformieren, brauchen wir im September auch in Deutschland den Wechsel!«
Update 20.25 Uhr: »Das Ende der fünften Republik«
In der französischen Linken wird über die große Zahl der Nichtwähler diskutiert. Die FI-Politikerin Raquel Garrido machte das Parteiensystem der V. Republik für die historisch niedrige Wahlbeteiligung von 50,2 Prozent verantwortlich. »Über 50% der Franzosen sind nicht wählen gegangen«, wird die Linkspolitikerin von »La France Insoumise« auf Twitter zitiert. »Wir brauchen eine sechste Republik.«
Auch der französische Politikwissenschaftler Gaël Brustier spricht in der linken französischen Tageszeitung »Libération« von einer politischen Krise: »Das Parteiensystem der fünften Republik ist tot und begraben.«
Update 20 Uhr: Hochrechungen sehen Macrons »En Marche« mit 32,3 Prozent vorn
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat die erste Runde der Parlamentswahl gewonnen und steuert auf eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung zu. Nach Hochrechnungen lagen seine Partei La République en Marche und ihre Verbündeten im ersten Wahlgang am Sonntag mit mehr als 32 Prozent der Stimmen weit vorn. Damit haben sie gute Chancen, im zweiten Wahlgang die Kontrolle über die erste Parlamentskammer zu erringen. Laut Meinungsforschern kann der neoliberale Staatschef hoffen, in der entscheidenden Runde am kommenden Sonntag auf mindestens 390 der 577 Sitze zu kommen. Das Institut Kantar Public-Onepoint hielt sogar bis zu 440 Mandate für möglich.
En Marche / MoDem: 32,3 Prozent – 390 bis 430 Sitze
Republikaner: 21,5 Prozent – 85 bis 125 Sitze
Front National: 14 Prozent – 3 bis 10 Sitze
La France Insoumise / PCF: 11 Prozent – 11 bis 21 Sitze
Parti Socialiste: 10,2 Prozent – 20 bis 35 Sitze
Nichtwähler*innen: 50,2 Prozent
Update 19.15 Uhr: Laut FI Unregelmäßigkeiten in Marseille
Laut »La France insoumise« und »En Marche« hat es im vierten Wahlbezirk von »Bouches-du-Rhône« in Südfrankreich Unregelmäßigkeiten bei der Wahl gegeben, die zum Vorteil des sozialdemokratischen Kandidaten Patrick Mennucci geführt haben sollen. Das berichtet eine Journalistin des französischen Senders LCP.
Update 19.00 Uhr: Nachwahlbefragungen rechnen mit Sieg Macrons
Das Lager des neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron liegt laut Umfragen bei der ersten Runde der Parlamentswahl klar vorne. Wie der belgische Rundfunksender RTBF am Sonntag berichtete, kommt Macrons Partei La République en Marche demnach auf etwa 30 Prozent. Eine andere Umfrage kommt auf 32 Prozent.
Es handele sich um drei Umfragen vom Wahltag vor Ende der Abstimmung, aber nicht um Hochrechnungen. In großen Städten sind die Wahllokale noch bis 20.00 Uhr geöffnet. Wie und von welchem Institut die Befragungen erfolgten und wie viele Menschen daran teilnahmen, berichtete RTBF nicht.
La République en Marche liegt nach diesen Zahlen vor den konservativen Republikanern, die auf 19 bis 20 Prozent kommen. Es folgen die rechtsextreme Front National (FN) mit rund 17 bis 18 Prozent und die Linkspartei France Insoumise mit etwa 12 Prozent. Die sozialdemokratische Parti socialiste stürzt demnach auf 6 bis 8 Prozent ab.
Update 18.30 Uhr: Umfragen sagen voraus, dass 50,5 Prozent der Wahl fern bleiben
Nach einer Umfrage des französischen Fernsehsenders BFMTV könnte die Wahlbeteiligung um 20 Uhr auf einen nie gesehenen Tiefstand von 49 Prozent kommen. Demnach würde eine Mehrheit von 50,5 Prozent der Wähler*innen den Urnen fern bleiben.
Update 17.20 Uhr: Wahlbeteiligung mit 40,75 Prozent um 17 Uhr sehr niedrig
Frankreich steuert in der ersten Runde der Parlamentswahl auf eine sehr niedrige Wahlbeteiligung zu. Am Sonntag gaben bis 17.00 Uhr 40,75 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimmen ab, wie das Innenministerium bekanntgab. Das ist deutlich weniger als bei der Wahl vor fünf Jahren, als im gleichen Zeitraum 48,31 Prozent ins Wahllokal gingen. Damals lag die Beteiligung am Ende des Tages bei 57,22 Prozent. Das war der bis dahin niedrigste Wert für eine erste Runde der Parlamentswahl in der Geschichte der 1958 gegründeten Fünften Republik.
Update 13.20 Uhr: Macrons »En Marche« könnte über 60 Prozent erreichen
Meinungsforscher rechnen mit einem deutlichen Sieg des Macron-Lagers: Die Bewegung La République en Marche könnte zusammen mit der verbündeten Zentrumspartei MoDem im ersten Wahlgang auf rund 30 Prozent kommen – und in zweiten Wahlgang eine satte absolute Mehrheit von über 60 Prozent erreichen. Umfragen sehen die konservativen Republikaner in der ersten Runde bei 22 Prozent, die rechtspopulistische Front National von Marine Le Pen bei 17 Prozent, die linke Bewegung La France insoumise bei elf Prozent und die Sozialisten von Ex-Staatschef François Hollande bei nur acht Prozent.
Update 12.40 Uhr: Mélenchon laut Umfragen bei 12 Prozent – keine Linksallianz
In den letzten Umfragen vor der Wahl lag Mélenchons »La France Insoumise« nur noch zwischen 11,5 und 13 Prozent. Ein Problem für die LFI ist das fehlende Wahlbündnis mit der französischen Kommunistischen Partei (KP) - wie es vor den Präsidentschaftswahlen noch zustande kam. Die französische KP bekommt zwar in den Umfragen landesweit derzeit nur zwei bis drei Prozent, doch weist sie örtlich stark verankerte KandidatInnen auf, die als BürgermeisterInnen oder bisherige Abgeordnete bekannt sind. Die LFI hat dies nicht zu bieten. Nur in 18 Wahlkreisen treten LFI und französische KP miteinander an.
Update 12.30 Uhr: Wahlbeteiligung sehr niedrig
Die Parlamentswahl in Frankreich hat schleppend begonnen. Im ersten Wahlgang gaben bis zum Sonntagmittag 19,2 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimmen ab, wie das Innenministerium bekanntgab. Das ist weniger als bei der Wahl vor fünf Jahren, als die Beteiligung bis zum Mittag bei gut 21 Prozent lag. Damals erreichte die Beteiligung bei Schließung der Wahllokale 57,2 Prozent. Umfragen hatten zuvor bereits eine historisch niedrige Beteiligung vorher gesagt. Die Wahlbeteiligung bei der Parlamentswahl ist in Frankreich traditionell deutlich niedriger als bei der Wahl des Staatschefs.
Bei diesen Wahlen ist fast alles anders
Die Franzosen sind aufgerufen, diesen und kommenden Sonntag ein neues Parlament zu wählen. In vielerlei Hinsicht unterscheidet sich die Parlamentswahl von allen vorangegangenen Wahlen der seit 1958 bestehenden fünften Republik. Dass die Wähler dem gerade erst neu gewählten Präsidenten bei der nachfolgenden Parlamentswahl die nötige Mehrheit zum Regieren verschaffen, hat zwar Tradition. Doch diesmal ist ein regelrechter Erdrutschsieg der noch jungen Bewegung von Macron, »La République en marche«, möglich - und der früheren Regierungspartei, der Parti socialiste, droht die Bedeutungslosigkeit.
Macrons Bewegung wird auf Anhieb in der Nationalversammlung weit mehr als die absolute Mehrheit von 289 Sitzen erringen. Manche Wahlforscher sagen ihr mehr als 400 von 577 Sitzen voraus. Grund ist, dass der Wunsch nach grundlegenden Erneuerungen, wie sie Präsident Emmanuel Macron in Aussicht stellt, in der Bevölkerung groß ist.
Bei den strikt paritätischen Kandidatinnen und Kandidaten von »En marche« handelt es sich nur zur Hälfte um Politiker, die von anderen Parteien gekommen und Mitglied der Bewegung geworden sind. Die andere Hälfte kommt aus der »Zivilgesellschaft«, das heißt es sind Politik-Neulinge ohne Erfahrungen in einem gewählten Amt. Viele von ihnen verfügen zudem nicht über das für Politiker unerlässliche Netz von Beziehungen und sind den Wählern völlig unbekannt. Das kann auch der engagierteste Wahlkampf nicht ändern, denn dazu war er mit kaum vier Wochen zu kurz. Aber das Logo »En marche« und ein Verweis auf Macron auf dem Wahlplakat dürfte diesmal oft reichen, um gewählt zu werden. Der bekannte französische Politikjournalist Christophe Barbier spottete, sogar eine Ziege hätte heute gute Chancen, für Macron gewählt zu werden.
Die Nationalversammlung wird sich nicht nur erneuern, sondern auch verjüngen. Doch ihre soziale Zusammensetzung, die eine Schieflage aufweist, wird sich nicht wesentlich verbessern. Auch bei den Macrons Kandidaten überwiegen Hochschulabsolventen - darunter allein 28 Anwälte -, während nur zwei Arbeiter und elf Landwirte vertreten sind.
Von den Abgeordneten der jetzigen Legislaturperiode tritt ein Drittel nicht wieder an und die restlichen zwei Drittel können angesichts veränderter Kräfteverhältnisse nicht sicher sein, wiedergewählt zu werden.
Die Anzahl der Kandidaten ist enorm. Landesweit sind es 7877, in manchen Wahlkreisen stellen sich bis zu 27 Kandidaten zur Wahl. Sie wurden von insgesamt 61 Parteien aufgestellt, von denen viele völlig unbekannt sind, wie beispielsweise die Tierschutzpartei Parti animaliste. Die Ursache für dieses inflationäre Aufstellen von Kandidaten liegt im Parteienfinanzierungsgesetz, denn jede noch so kleine Partei, die es bei der Parlamentswahl in mindestens 50 Wahlkreisen auf mehr als ein Prozent der Stimmen bringt, hat fünf Jahre lang Anspruch auf eine staatliche Unterstützung von jährlich 1,42 Euro pro Wählerstimme. In der Legislaturperiode 2012 bis 2017 traf das auf 13 Parteien zu. Hinzu kommen für die Parteien noch einmal 37 000 Euro pro Jahr für jeden gewählten Parlamentarier.
Um die eigenen Aussichten zu erhöhen, schummeln nicht wenige rechte, linke oder unabhängige Kandidaten etwas und treten »unter fremder Flagge« an, indem sie sich auf ihrem Plakat zur »Mehrheit des Präsidenten« bekennen - was auch immer damit gemeint sein mag, denn offizielle Unterstützung von der Bewegung »En marche« hat fast keiner von ihnen. Diesen bewusst provozierten Missverständnissen hat aber Macron selbst Vorschub geleistet, indem er in mehreren Dutzend Wahlkreisen kooperationsbereiten Politikern - Sozialisten wie Republikanern - keine eigenen Kandidaten gegenübergestellt hat. Dies könnte umsonst gewesen sein, denn es sieht ganz danach aus, dass etliche von ihnen - von der Sozialistin Najat Vallaud-Belkacem bis zur Konservativen Nathalie Kosciusko-Morizet - ihren Parlamentssitz trotzdem nicht retten können.
Wenn die Nationalversammlung diesmal aus den Wahlen gründlich verändert und erneuert hervorgeht, dann liegt das aber nicht nur an Emmanuel Macron und seinem Willen, Politik ganz neu und anders zu machen. Ein weiterer Faktor ist ein Gesetz, das auf Initiative der Sozialisten und mit Unterstützung vieler rechter Abgeordneter bereits im Februar 2014 verabschiedet wurde, aber erst mit dieser Wahl wirksam wird. Danach dürfen Abgeordnete nicht mehr gleichzeitig Bürgermeister sein, was in der bisherigen Nationalversammlung auf 175 Abgeordnete zutraf.
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