Klötze am Bein
Konservatives Lager in Frankreich rappelt sich auf
Wahrscheinlich werden die miteinander verbündeten Parteien Les Républicains (LR) und UDI die zweitstärkste Fraktion in der nächsten französischen Nationalversammlung bilden. Derzeit liegen Konservative und Wirtschaftsliberale in Umfragen bei 23 Prozent. Das sind drei Prozent mehr, als der konservative Präsidentschaftskandidat François Fillon im ersten Wahlgang erhielt.
Tatsächlich hat das konservativ-wirtschaftsliberale Lager es seit der ersten Runde der Präsidentschaftswahl geschafft, sich zweier Hemmnisse zu entledigen. Das eine war Fillon selbst: Infolge einer Welle von Veröffentlichungen in der französischen Presse, die nahelegten, dass Fillon Familienmitgliedern über Jahre hohe Summen öffentlicher Gelder zugespielt hatte, war der Kandidat der Konservativen diskreditiert.
Der zweite Klotz am Bein der bürgerlichen Rechten war die Front National (FN), die bei den Präsidentschaftswahlen bereits in der ersten Runde die Konservativen übertrumpfen konnte. Dieser Trend hat zumindest nachgelassen: Nachdem die FN-Kandidatin Marine Le Pen in der Stichwahl gegen Macron deutlich schwächer abschnitt als zunächst erwartet - unter anderem infolge ihres katastrophalen Auftritts bei der Fernsehdebatte zwischen den beiden Anfang Mai -, ist ihre Partei in eine Krise gestürzt. Sie wird von Orientierungsdebatten und Flügelstreitigkeiten heimgesucht. Dabei geht es unter anderem darum, die Forderung nach dem EU- und Euro-Austritt fallenzulassen.
Um die FN am Erringen von Parlamentsmandaten zu hindern, schlug der Spitzenkandidat der Allianz LR/UDI, der 52-jährige frühere Minister François Baroin, zunächst Ende Mai vor, in den Wahlkreisen, in denen ein FN-Sieg droht, systematisch Kandidaten zugunsten anderer demokratischer Parteien zurückzuziehen.
In der zweiten Runde der Parlamentswahlen, an der alle Kandidaten teilnehmen dürfen, die in der ersten Runde durch mindestens 12,5 Prozent der Stimmberechtigten gewählt wurden, sollte also nur noch eine Partei gegen den FN antreten, so die Idee Baroins. Darauf sollten sich Sozialdemokratie, Macron-Anhänger und Konservative einigen.
Einen Tag später war der Vorschlag wieder vom Tisch, nachdem politische Schwergewichte wie Laurent Wauquiez (LR), Regionalpräsident in Lyon, dagegen opponiert hatten. Auch Wauquiez redet zwar nicht einem Bündnis mit der FN das Wort. Doch er befürwortet einen scharfen Oppositionskurs von rechts. Seine Prognose lautet: »Nach fünf Jahren Macron, also Regierung ohne ein festes Wertesystem, werden die Franzosen nach einer klaren, Werten verpflichteten Rechten rufen.« Seitdem ist wieder offen, wie die Konservativen sich vor den Stichwahlen positionieren werden.
In den kommenden Wochen wird sich zudem zeigen, wie die Konservativen sich zu dem Liberalen Emmanuel Macron an der Macht verhalten werden. Und hier deuten sich bereits sichtbare Bruchlinien an. Auf dem Tisch liegen drei Optionen: Opponieren, eine punktuelle Unterstützung für einzelne Reformprojekte unter Macron - dies deutet sich bereits bei dem für den Zeitraum Juli bis September geplanten, regressiven Umbau des Arbeitsrechts an - oder eine formale Koalition. Welchen Weg das konservative Lager einschlägt, wird natürlich auch davon abhängen, ob Macron Bündnispartner benötigt oder aber über eine eigene Mehrheit in der Nationalversammlung verfügt.
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