Kürzen mit einem Federstrich
Am Institut für Asien- und Afrikawissenschaften soll eine Professur entfallen
Fast jährlich reist Ingeborg Baldauf nach Afghanistan, ausgestattet mit einem Diktiergerät, um die usbekischen Dialekte des Landes aufzuzeichnen. So steht es auf der Seite »Wir sind Humboldt« der Humboldt-Universität (HU), die mit herausragenden Professoren für sich selbst wirbt. Doch nun soll es die Professur von Baldauf, die in den Ruhestand geht, demnächst nicht mehr geben - das vermuten zumindest die Mitarbeiter und Studierenden des Instituts für Asien- und Afrikawissenschaften (IAAW).
Damit würde Deutschland nicht nur eine der wenigen Professuren für Turkologie verlieren, das Institut verlöre auch ein gehöriges Maß an Ausstattung und wissenschaftlichem Personal.
Das wäre ganz im Sinne des Präsidiums der HU, denn die Uni muss kräftig kürzen: Acht Prozent des Gesamtbudgets, zehn Millionen Euro, müssen eingespart werden - zahlreiche Stellen sollen bis 2030 entfallen. Mitte des Jahres muss die Uni ihren jährlichen Strukturplan vorlegen, das Präsidium hatte die Fakultäten aufgerufen, selbst Sparvorschläge einzureichen. Das IAAW treffe es nun mit einer ganzen Professur am härtesten, sagen die Betroffenen. Und das, während allerorts vom »asiatischen Jahrhundert« die Rede ist. »Hier verschwindet eine große Region völlig vom Radar der Wissenschaft«, warnt Afrika-Professor Andreas Eckert.
Dass die Professur wegfallen soll, bestätigt ein Sprecher der Universität: »Diese Aufforderung seitens des Präsidiums steht zur Diskussion.« Wen es allerdings trifft, ist Mutmaßung. Und: Die Gründe bleiben im Dunkeln. Man habe die Entscheidung »aufrund intensiver Gespräche« mit der Fakultät und den Gremien gefällt, sagt der Sprecher. Als »arbiträr« bezeichnet hingegen Eckert die Kürzung. Und so brodelt die Gerüchteküche. Es gebe mit 1400 Eingeschriebenen zu wenig Studenten, sagen einige, zudem ein unscharfes Profil. »Wie schärft man ein Profil mit der Streichung einer Professur?«, will Südasien-Professorin Nadja-Christina Schneider hingegen wissen.
Mitarbeiter und Studenten setzten deshalb eine Online-Petition auf, die bereits fast 1500 Unterstützer hat und Präsidentin Sabine Kunst dazu aufruft, das Institut zu fördern, statt es zu beschneiden. Zudem schrieben sie am 9. Mai einen offenen Brief an Wissenschaftssenator Michael Müller (SPD) und erinnerten ihn ans Wahlprogramm, das mehr wissenschaftliche Forschung zu anderen Sprachen und Kulturen außerhalb Europas forderte. Bislang ohne Antwort, sagen die Schreiber. Staatssekretär Steffen Krach (SPD) habe den Brief beantwortet, hieß es dagegen am Freitag aus der Bildungsverwaltung. Er verweise darin auf die Hochschulautonomie und darauf, dass dem Senator keine konkreten Pläne vorlägen.
Gibt es keine Kehrtwende, hätte das Institut nur noch zehn Professuren. Die Betroffenen fürchten, dass dann das inhaltliche Gesamtkonzept des Instituts infrage steht. Zuletzt wurden 2004 fünf Professuren gekürzt, zehn Jahre zuvor waren bereits 13 eingespart worden. Eckert spitzt zu: »Die trauen sich nicht zu sagen: ›Die machen wir jetzt zu.‹«
Kunst begründete den Sparzwang gegenüber dem »Tagesspiegel« jüngst unter anderem damit, dass sie zusätzliche Kapazitäten für die Lehrerbildung schaffen müsse. Dafür erhält die HU jedoch, wie die anderen Berliner Universitäten auch, zusätzlich Geld vom Land.
Ein anderer Grund drängt sich auf: Die Exzellenzinitiative läuft in diesem Jahr aus. Kritiker sagen, die HU habe zu viele Stellen geschaffen, deren Finanzierung an die Initiative gebunden war. Ein bundesweites Problem: »Die Exzellenzinitiative hat sich nur selten in Dauerstellen niedergeschlagen«, sagt Eckert. »An vielen Unis ist von Verstätigung nur sehr wenig zu sehen.« Doch das Problem trifft nicht alle gleich: Die Technische Universität und die Freien Universität, so heißt es, hätten ihre Pläne realistischer gestaltet.
Das IAAW übt denn auch Selbstkritik. Vielleicht habe man es verpasst, der Öffentlichkeit zu zeigen, wie wichtig die eigene Arbeit sei. Am Montag gibt es deshalb ein Symposium. Neben Baldauf und Eckert sind auch externe Gäste geladen: der mongolische Botschafter sowie der Vertreter Taipehs in Deutschland.
Symposium am Montag, 12. Juni, 10 bis 14 Uhr, Senatssaal Unter den Linden 6, Humboldt-Universität zu Berlin
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