Russland: Hunderte Oppositionelle festgenommen
Tausende protestieren gegen Korruption und Behördenwillkür / Nawalny zu 30 Tagen Haft verurteilt / Amnesty International kritisiert »alarmierende Szenen«
Berlin. In Russland sind wegen ihrer Teilnahme an nicht genehmigten Kundgebungen Hunderte Menschen verhaftet worden. Proteste waren in knapp 200 Städten im ganzen Land angekündigt worden. Die Aktionen richteten sich gegen Korruption und Behördenwillkür, laut Berichten riefen Demonstranten in Moskau »Russland ohne Putin«. Dort hatte die Stadtverwaltung zwar eine Demonstration erlaubt, die vom Kremlkritiker Alexej Nawalny organisierte Aktion sei dann aber kurzfristig verlegt worden, meldet eine russische Nachrichtenagentur. Daraufhin sei es zu Festnahmen gekommen. Insgesamt waren in der russischen Hauptstadt rund 4.500 Menschen auf der Straße, in Sankt-Petersburg demonstrierten etwa 3.500 Menschen.
Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, hatte zuvor erklärt, »in über 100 Städten in Russland finden heute Proteste gegen Korruption und staatliche Willkür statt - und das ist auch gut so«. Laut der Nichtregierungsorganisation OVD Info sollen allein in Moskau mehr als 820 Menschen festgenommen worden sein. In Sankt Petersburg wurden schätzungsweise 600 Demonstranten inhaftiert, wie OVD Info mitteilte. Die russische Nachrichtenagentur Sputnik nannte geringere Zahlen. Teils ging die Polizei mit Schlagstöcken gegen die Oppositionellen vor. Auch in Provinzstädten wie Wladiwostok, Norilsk, Kaliningrad und Sotschi gab es mehr als hundert Festnahmen. Im sibirischen Nowosibirsk gingen nach Berichten örtlicher Medien rund 3.000 Menschen gegen auf die Straße.
Derweil hat ein Gericht Nawalny zu 30 Tagen Haft verurteil. Der 41-Jährige musste sich in dem Schnellverfahren unter anderem wegen Verstoßes gegen die Versammlungsregeln verantworten. Er hatte zu den landesweiten Protesten gegen Russlands Staatschef Wladimir Putin aufgerufen. Nawalny selbst kommentierte seine neuerliche Verurteilung mit einem ironischem Tweet: »Sie haben nicht nur das ganze Land bestohlen, wegen ihnen werde ich auch das Depeche-Mode-Konzert in Moskau verpassen.«
Die USA und die EU forderten die sofortige Freilassung der Demonstranten. »Die Festnahme Hunderter friedlicher Demonstranten und die eingesetzte Gewalt (...) bedrohen die Meinungsfreiheit und das Recht auf Versammlung«, hieß es in einer Mitteilung aus Brüssel. Amnesty International sprach von »alarmierenden Szenen« und kritisierte die Gewalt gegen Demonstranten. Nawalny will im kommenden Jahr als Präsidentschaftskandidat antreten. Dabei gilt er selbst nicht als unumstritten, da er nationalistische und teilweise fremdenfeindliche Positionen vertritt. Ende März hatte Nawalny die größten Proteste in Russland seit Jahren organisiert. Hunderte Menschen wurden festgenommen, darunter auch er selbst. In einem Schnellverfahren wurde er zu 15 Tagen Haft und einer Geldstrafe verurteilt. Agenturen/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.