Balance halten in Downing Street

May sucht mit Versprechungen und Zugeständnissen einen Weg aus dem Schlamassel

  • Sascha Zastiral, London
  • Lesedauer: 3 Min.

Großbritanniens angeschlagene Premierministerin Theresa May hat ihre erste Feuertaufe überstanden. Mays Position als Parteichefin der Tories und Regierungschefin steht in Frage, seit ihre Partei bei den vorgezogenen Neuwahlen am vergangenen Donnerstag die absolute Mehrheit im Unterhaus verloren hat. Und so kam dem Treffen Mays mit Mitgliedern des einflussreichen »1922 Committee« am Montagabend besondere Bedeutung zu. Das Komitee aus Tory-Hinterbänklern hat großen Einfluss: Minister folgen oft dessen Empfehlungen. Auch bei der Wahl des Parteichefs kommt dem Komitee eine zentrale Rolle zu. Nicht ohne Grund beschrieb der »Guardian« das Treffen mit den Worten: May geht zu ihrem Vorstellungsgespräch.

Und das lief offenbar gut. Ein Abgeordneter, der anonym bleiben wollte, erklärte, May habe den Parlamentariern gesagt: »Ich habe uns in dieses Schlamassel gebracht und ich werde uns wieder herausholen.« Sie habe »reuevoll« und »aufrichtig« gewirkt, die Abgeordneten aber nicht »angefleht«. Ein anderer Teilnehmer des Treffens sagte, May habe sich mehrmals entschuldigt. Am Ende des Treffens soll May mit großem Applaus verabschiedet worden sein.

May habe zudem eingeräumt, dass es »Probleme« im Verhältnis zwischen Downing Street und der Partei gegeben habe, hieß es später. Damit bezog sie sich offenbar auf ihre beiden Vertrauten, die ihre Posten niedergelegt haben: Am Wochenende traten Nick Timothy und Fiona Hill zurück. Beide hatten sich den Posten des »Stabschefs« in Downing Street geteilt. Führende konservative Politiker haben angesichts der Wahlschlappe Mays umgehend den Rauswurf des Duos gefordert. Timothy und Hill, seit 2010 die engsten Vertrauten Mays, sollen in den vergangenen Monaten häufig führende Minister herumkommandiert haben. Ihnen wird das desaströse Wahlprogramm zugeschrieben, mit dem der Absturz der Tories in Umfragen eingesetzt hat.

Wegen des schlechten Wahlergebnisses liegt nun auch Mays geplante Kabinettsumbildung weitgehend auf Eis. So galt etwa Schatzkanzler Philip Hammond als Wackelkandidat. Hammond hatte mit seinen vorsichtigen Wirtschaftsprognosen den Zorn der Brexit-Hardliner bei den Tories auf sich gezogen. Doch nun soll er im Amt bleiben. Eine bedeutende Änderung hat es dennoch gegeben: Michael Gove ist der neue Umweltminister. Gove war neben Boris Johnson und der Labour-Abgeordneten Gisela Stuart einer der führenden Architekten des Brexit-Votums.

Dass May nun Gove, mit dem sie früher persönlich einige Auseinandersetzungen hatte, in ihr geplantes neues Kabinett geholt hat, wird von vielen Beobachtern als Versucht gewertet, einen Putsch zu verhindern. Offenbar ist man sich in der Konservativen Partei derzeit nicht sicher, dass May bis zur Parlamentseröffnung am kommenden Montag eine sichere Mehrheit haben wird. Den Ausschlag gibt die Democratic Unionist Party (DUP), eine pro-britische Regionalpartei in Nordirland, auf deren zehn Abgeordnete May angewiesen sein wird.

Unterdessen führen Mitglieder der konservativen Regierung einem Bericht zufolge geheime Gespräche über einen »weichen« Brexit mit Abgeordneten der oppositionellen Labour-Partei. Die Kabinettsmitglieder wollten Regierungschefin May zu Konzessionen bei der Einwanderung, der Zollunion und dem Europäischen Binnenmarkt drängen, berichtete der »Telegraph« am Dienstag. Nach dem Bericht steht auch die Einrichtung einer parteiübergreifenden Brexit-Kommission zur Debatte, die die Bedingungen für einen geordneten Rückzug aus der EU festlegen soll.

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