Neonazis auf Mallorca sind »ein stückweit Normalität«

Hotelierverband: Rassistische Touristen »gehören an der Playa zum Straßenbild«

  • Lesedauer: 4 Min.

Palma. Nach dem Eklat versuchte die Polizei auf Mallorca die Wogen zu glätten. »Das ist nicht normal hier, das hat es zumindest in den vergangenen Jahren nie gegeben«, beteuerte die zuständige Beamtin in Palma im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Die Randale im Ballermann-Kultlokal »Bierkönig«, bei der eine Gruppe von rund 15 Neonazis jüngst eine Reichskriegsflagge ausgerollt und »Ausländer raus« gerufen hatte, sei ein Einzelfall.

Einer, der es wissen muss, wagt allerdings Widerspruch. »Neonazi-Touristen gehören an der Playa zum Straßenbild«, sagt Francisco Marín. Der Chef des Hotelierverbandes der Playa, ein echtes Insel-Urgestein, beklagte nach dem Zwischenfall vor Journalisten, die Polizei gehe im Strandgebiet viel zu lasch gegen Störenfriede vor. Die Randalierer dürften sich am Ballermann viel mehr leisten als etwa in Palmas Innenstadt oder »auch im Wohnort in Deutschland«.

Die Vorkommnisse im »Bierkönig« seien »ein stückweit Normalität«, behauptet auch der stellvertretende Chefredakteur der »Mallorca Zeitung«, Frank Feldmeier, in einem Leitartikel. Man könne sich »fast im Kalender anstreichen, wann die Schlagzeilen vom rechten Spuk an der Playa de Palma auftauchen«: Spätestens im Juni beginne die Eskalation an Malles berühmtester Partymeile, so Feldmeier in Anspielung auf mehrere Massenschlägereien zwischen oft mit Hakenkreuzen und anderen Nazisymbolen tätowierten Deutschen und afrikanischen Straßenhändlern in den vergangenen Jahren. Das »Mallorca Magazin« schrieb, an der Playa seien »in der Regel pro Sommer ein bis zwei rechtsradikale Vorfälle zu verzeichnen«.

Im »Bierkönig« sollen rund 15 Männer, die laut Polizei zu der als gefährlich geltenden Neonazi-Vereinigung »Hammerskins« gehören, während eines Konzerts der Sängerin Mia Julia am Freitagabend auch Frauen sexuell belästigt und einen dunkelhäutigen Besucher angepöbelt haben. Empörte Besucher skandierten minutenlang »Nazis raus, Nazis raus!« Die spanische Polizei ermittelt wegen »Verletzung der Grundrechte«. 13 der zumeist stark tätowierten Männer seien inzwischen identifiziert worden, so die Polizei.

Vor einem Rekordsommer, bei dem die Insel aus allen Nähten platzen wird (die Zahl der Passagiere auf dem Flughafen von Palma kletterte schon in den ersten fünf Monaten von 2017 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 6,7 Prozent auf 7,7 Millionen), machen sich nicht nur Marín und die Medien Sorgen. Palmas Bürgermeister José Hila trat diese Woche vor die Journalisten und versprach: »Wir werden mit diesen unschönen Vorfällen Schluss machen.«

Trotz der dieses Jahr schon im Mai ausgebuchten Hotels ist die Sorge allein vor dem Hintergrund der Politiker-Pläne berechtigt. Die Linken, die sowohl in der Hauptstadt als auch in der Autonomen Gemeinschaft der Balearen seit 2015 das Sagen haben, wollen nicht nur Rechtsradikale, sondern auch Low-Cost- und Sauf-Tourismus verbannen. Weg vom Sangria-Eimer, so das Motto. Hila: »Touristen, die sich eine Woche lang betrinken wollen, brauchen wir nicht.«

Was man will, sind betuchtere Besucher, die sich gut benehmen und auf der Insel mehr Geld ausgeben. Dazu wurden unter anderem der Bau von Nobelhotels gefördert und Strandkioske modernisiert. Die legendäre Bude »Ballermann 6« präsentiert sich zum Beispiel seit dem Frühjahr als moderner, schicker »Beach Club«. Am Ballermann stehen seit 2016 auffällige Verbotsschilder, die das Saufen und auch das Grölen auf offener Straße untersagen. Bei Zuwiderhandlungen werden Geldbußen von 1500 bis 3000 Euro fällig.

Dass ein Besucher-Video vom Skandal im »Bierkönig« in Deutschland viral wurde und allein bei »Bild.de« auf Youtube mehr als 80.000 Mal angeklickt wurde, kommt da ungelegen. Probleme mit Touristen gibt es derweil nicht nur in Palma. In Palmanova unweit von Magaluf, des »Ballermanns der Briten« im Südwesten Mallorcas, sind 18 Touristen am Wochenende nackt über die Strandpromenade gerannt. Auch dieses Schauspiel wurde aufgenommen und veröffentlicht.

Den Einheimischen droht der Kragen zu platzen. Feldmeier spricht von einer »strapazierten Gastfreundschaft der Insel«, Beobachter fürchten einen Anstieg der Spannungen. An Fassaden im Altstadtviertel Palmas waren 2016 erstmals Grafitti mit Aufschriften wie »Tourists go Home« und »Tourists you are the Terrorists« aufgetaucht. Auf Vorschlag einer Nachbarschaftsinitiative wird nun auch mit schwarzen Flaggen an Balkonen protestiert. Man müsse die Exzesse bekämpfen, »sonst wird es noch schlimmer«, warnt Marín. dpa/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.