Eine Rennstrecke wird 90

Mythos Motorsport und »Rock am Ring« am Nürburgring

  • Jens Albes, Nürburg
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein Mythos feiert Geburtstag und träumt von der Rückkehr der Formel 1: Der weltbekannte Nürburgring wird 90. Am 18. Juni 1927 als Deutschlands erste »Gebirgs-, Renn- und Prüfstrecke« eröffnet, präsentiert sich der Eifelkurs in Rheinland-Pfalz noch heute als Mekka des Motorsports, aber auch wieder als Bühne für das legendäre Musikspektakel »Rock am Ring«. Die Geburtstagsfeier mit Zeitzeugen und einer Ausstellungseröffnung am 16. Juni sollte nach den Querelen um den zu groß geratenen Freizeitpark an der Rennstrecke und ihre Insolvenz 2012 nicht allzu pompös ausfallen.

Ring-Chef Mirco Markfort (39) ist zufrieden mit dem Aufschwung der Asphaltschleife - und vorsichtig optimistisch mit Blick auf die abgewanderte Formel 1. »Ihr neuer Eigentümer Liberty Media hat gesagt: ›Wir setzen auf traditionsreiche Strecken in Europa.‹ Was das für uns bedeuten kann, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Wir sind in Gesprächen.« 2018 rase die Formel 1 wieder über den badischen Hockenheimring, danach sei alles offen. »Sie muss für uns aber finanzierbar sein.« Die Zeiten achtstelliger Subventionen der Steuerzahler seien vorbei.

Erfreut ist Markfort über die Rückkehr von »Rock am Ring«: Das 2015 und 2016 ins 30 Kilometer entfernte Mendig abgewanderte Festival hat Pfingsten wieder 87 000 Fans an die Rennstrecke gezogen und war damit ausverkauft. Der Auftritt von Rammstein am ersten Abend ist einem Terroralarm zum Opfer gefallen. Am zweiten Abend ist die Stimmung etwa bei den Toten Hosen ausgelassen wie schon so oft seit der Erstauflage von »Rock am Ring« vor 32 Jahren.

Neben etlichen Motorsportspektakeln und Touristenfahrten für Privatleute, Testfahrten von Autoherstellern und Zulieferern sowie Hotels, Ferienpark und Tagungen setzt der Nürburgring noch mehr auf Musik. So steigt im August erstmals das Schlager- und Partyfest »Nürburgring Olé«, eine Woche später folgt die Premiere des »New Horizons«-Festivals mit elektronischer Musik.

Der Ring gehört mittlerweile der NR Holding um den russischen Pharmaunternehmer Viktor Charitonin. Dieser halte sich im Hintergrund, sagt Markfort. »Wir sind nun ein normales, grundsolides, mittelständisches Unternehmen mit einer gewissen Ausstrahlung.« 2015 seien wieder schwarze Zahlen geschrieben worden. »2016 werden wir das Ergebnis noch steigern.« Details nennt der Rennstreckenchef nicht. »Zum Glück ist Ruhe bei uns eingekehrt. In den Jahren zuvor war das anders - da hatten die Mitarbeiter unterschwellig Angst, ihren Job zu verlieren.« 2009 ist die Privatfinanzierung des Freizeitparks am damals noch staatlichen Ring spektakulär geplatzt. Der rheinland-pfälzische Finanzminister Ingolf Deubel muss sein Hut nehmen, Regierungschef Kurt Beck (beide SPD) tritt nach der Ringpleite 2012 zurück und gibt gesundheitliche Gründe an. Der Autozulieferer Capricorn kauft den Nürburgring, übernimmt sich damit und Charitonin steigt ein.

Gespannt verfolgt man in der Eifel das Geschehen. Anita Schomisch, Sekretärin eines Busunternehmens im Dorf Nürburg, sagt: »Der Freizeitpark war bekloppt - völlig überdimensioniert. Wir liegen hier klimatisch nicht an der Riviera. Die Region wurde nicht gehört, das wurde uns politisch übergestülpt.« Sie kritisiert: »Für 500 Millionen Euro Steuergeld wurde hier gebaut - und dann bekommt jemand Nordschleife, Grand-Prix-Strecke, einfach alles für nur 77 Millionen Euro.« Immerhin laufe das Kerngeschäft wieder besser, »weil es jetzt privatwirtschaftlich organisiert ist«.

Das freut auch die Pächterfamilie der Burgruine Nürburg auf einem Hügel in der Nordschleife: »Bei Veranstaltungen wie dem 24-Stunden-Rennen oder ›Rock am Ring‹ kommt immer auch ein Schwung von Leuten zur Burgbesichtigung«, sagt Theresa Hoffmann. »Wir wollen die Burg nun mehr vermarkten, zum Beispiel mit Abendveranstaltungen.«

Der Landrat der Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), sagt: »Der Nürburgring ist auch nach 90 Jahren ein starker Wirtschaftsmotor für die Region und die strukturschwache Eifel.« Er sei für die Zukunft gut aufgestellt. Und die Vergangenheit? Markfort gesteht: »Wir haben unsere Historie etwas vernachlässigt. Wir wollen sie wieder mehr in den Vordergrund rücken, denn sie ist unser Markenkern.« So mit der neuen Ausstellung im Motorsport-Erlebnismuseum, die für jedes Jahrzehnt seit 1927 einen typischen Rennwagen zeige.

Was sind die Meilensteine der Ring-Geschichte? 1927 gewinnt Rudolf Caracciola das erste Autorennen, 1934 feiern die legendären Silberpfeile ihre Premiere, 1951 folgt der erste WM-Grand-Prix der Formel 1, 1976 verunglückt Niki Lauda schwer und 1983 stellt Stefan Bellof den bis heute gültigen Nordschleifen-Rundenrekord auf. 1984 wird der neue Grand-Prix-Kurs eröffnet und 2009 das zu große »Freizeit- und Businesszentrum« mit Tennisidol Boris Becker. dpa/nd

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