Gesetz gegen Hass im Internet fällt bei Anhörung durch

Nicht nur Reporter ohne Grenzen kritisiert das Netzdurchsuchungsgesetz gegen Hass-Kommentare im Internet: Juristen halten das Gesetz für rechtswidrig

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Bei einer Anhörung im Bundestag ist das Gesetz gegen Hass-Kommentare im Internet von weiteren Experten scharf kritisiert worden. Die Organisation Reporter ohne Grenzen appellierte an die Abgeordneten, das Netzwerkdurchsuchungsgesetz (NetzDG) in »seiner aktuellen Form abzulehnen«.

»Strafbare Inhalte in sozialen Netzwerken sind ein reales Problem und sollten gelöscht werden. Aber dieser Gesetzentwurf vermischt ganz verschiedenartige Rechtsprobleme, setzt auf untaugliche Mittel und ist schlecht begründet«, so Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen. In der Anhörung äußerten auch weitere Experten deutliche Kritik.

Mit dem Gesetz will Justizminister Heiko Maas (SPD) Betreiber sozialer Netzwerke dazu verpflichten, rechtswidrige Inhalte schneller und konsequenter zu löschen. »Offensichtlich strafbare Inhalte« sollen binnen 24 Stunden gelöscht werden. Zudem sollen Unternehmen wie Facebook darüber Auskunft geben, wie sie gegen strafbare Inhalte vorgehen, sowie gut erreichbare Beschwerdestellen für Nutzer schaffen. Verstöße gegen diese Pflichten können den Plänen von Maas zufolge mit einer Geldbuße in Höhe von mehreren Millionen Euro geahndet werden. Das könnte dazu führen, dass viele soziale Netzwerke auf eine Beschwerde hin – egal von wem diese kommt – eher löschen werden, um die eventuelle Zahlung von Bußgeldern zu vermeiden.

Schon jetzt würde das Löschen in »Eigenregie« durch soziale Netzwerke dazu führen, dass immer wieder auch Beiträge von Journalisten gelöscht würden, obwohl Facebook, Twitter und Co. für diese zu immer wichtigeren Plattformen werden. Die große Koalition wolle diese private Rechtsdurchsetzung nun verschärfen, anstatt die Löschpraktiken stärker an rechtsstaatliche Verfahren zu binden. Das Gesetz sei zu vage und wälze Staatsaufgaben auf private Unternehmen ab, erklärte auch Facebook in einer Stellungnahme Ende Mai. Das Unternehmen lehnt das Gesetz als verfassungswidrig ab.

Andere Experten erklärten dagegen, das Gesetz könne noch angepasst werden. Reporter ohne Grenzen hingegen will, dass in der nächsten Legislaturperiode ein »grundlegend neuer Anlauf« unternommen wird. Außerdem fordert die Organisation eine Einbeziehung der Zivilgesellschaft und eine bessere Datengrundlage zur Begründung des Gesetzes.

Ende Mai war bekannt geworden, dass Justizminister Maas nur für volksverhetzende Inhalte eine Studie angeführt hatte, die eine mangelhafte Löschpraxis von Facebook dokumentiert. Das Gesetz deckt aber einen ganzen Katalog von 22 Straftaten wie Beleidigung, Gewaltdarstellung und »strafbare Falschnachrichten« ab. Vor der Verabschiedung eines Gesetzes müsste aber eigentlich durch Studien eine Notwendigkeit neuer Regulierung dokumentiert werden.

Doch es gibt auch ganz grundlegendere Kritik am Gesetz: Anfang Juni hatte der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte, David Kaye, in einem Schreiben gesagt, das Gesetz gefährde Privatsphäre und Meinungsfreiheit. Es müsse grundlegend überarbeitet werden, um der internationalen Menschenrechtsgesetzgebung zu entsprechen. Tatbestände wie »Beleidigung« und »Diffamierung« etwa seien zu vage formuliert.

Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages hatte zudem bezweifelt, dass das Gesetz mit der EU-Richtlinie zu E-Commerce vereinbar ist, weil diese flexible Fristen zum Löschen von gesetzeswidrigen Inhalten setzt. Außerdem ist laut Informationen des Medienanwalts Joachim Steinhöfel offenbar ein weiteres Gutachten in Auftrag, das bezweifelt, dass das NetzDG mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Am Mittwoch soll das Gesetz in zweiter Lesung im Parlament behandelt werden. Viel Zeit zur Verabschiedung vor der Sommerpause bleibt nicht mehr – am 30. Juni findet die letzte Sitzung des Bundestages statt. Minister Maas will das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschieden.

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