Koalition versucht Riesenbetrug »kleinzukochen«
Grüne und Linkspartei kritisieren mangelnde Aufarbeitung illegaler »Cum-Ex«-Aktiengeschäfte / Pitterle: »Lässt einem die Haare zu Berge stehen«
Berlin. Bei der Aufarbeitung illegaler »Cum-Ex«-Aktiengeschäfte zulasten der Staatskassen hat die Große Koalition aus Sicht der Linkspartei und der Grünen wenig Aufklärungsinteresse gezeigt. »Union und SPD haben versucht, alles klein zu kochen und den Schaden so niedrig wie möglich zu halten«, kritisierte der Finanzpolitiker der Grünen, Gerhard Schick. »Das ist Verweigerung von gemeinsamer parlamentarischer Arbeit«, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Der Linkspolitiker Richard Pitterle erklärte, »Kriminelle Banker und Investoren haben den Staat jahrelang ausgenommen wie eine Weihnachtsgans«. Der Untersuchungsausschuss sei deshalb »ungeheuer wichtig« gewesen, immerhin habe man es mit dem »wohl größten Steuerbetrug in der Geschichte der Bundesrepublik« zu tun. Die »Cum/Ex-Finanzmafia« sei jedoch »nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist das größtenteils dilettantische Vorgehen der Finanzverwaltung«, so der steuerpolitischer Sprecher der Linksfraktion.
Die »gut bezahlten Beamten« im Bundesfinanzministerium und in der Bankenaufsicht BaFin hätten sich »jahrelang von den Cum/Ex-Gaunern quasi auf der Nase herumtanzen lassen«. Pitterle führt das auf Unterbesetzung, fachliche Überforderung und die Abweisung von Zuständigkeiten zurück. Die Behörden hätten demnach »einen großen Anteil daran, dass dem Fiskus und damit also den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern die Milliarden aus der Tasche gezogen wurden«. Dafür seien die Bundesfinanzminister verantwortlich, und damit Politiker von SPD und CDU, so Pitterle. »Dass CDU/CSU und SPD in ihrem Abschlussbericht zum Untersuchungsausschuss behaupten, die Finanzverwaltung hätte im Großen und Ganzen korrekt gehandelt, lässt einem die Haare zu Berge stehen.«
Nach mehr als einjähriger Arbeit des Untersuchungsausschusses des Bundestages konnten sich Koalition und Opposition auf keinen gemeinsamen Abschlussbericht verständigen. Auch Grüne und Linkspartei legen jeweils getrennte Berichte vor. An diesem Dienstag wollten SPD und Union abschließend ein Fazit ziehen.
Der Untersuchungsausschuss hat mehr als ein Jahr lang beleuchtet, wie es zu den 2012 gestoppten »Cum-Ex«-Aktiengeschäften kam. Bei solchen Transaktionen hatte der Fiskus über Jahre hinweg Anlegern die nur einmal abgeführte Kapitalertragsteuer mehrfach erstattet. Schätzungen über den möglichen Gesamtschaden reichen von etwa zehn Milliarden bis zu 32 Milliarden Euro. Das Bundesfinanzministerium stufte die Transaktionen als rechtswidrig ein. Auch Koalition und Opposition sprechen von illegalen Geschäften, einige Experten hatten dies in der Vergangenheit bezweifelt. Ein höchstrichterliches Urteil steht aus, etliche Verfahren und Ermittlungen dauern noch an. Agenturen/nd
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