»Werbung für Überwachungsstaat« kommt an
Berliner Polizei testet am Bahnhof Südkreuz intelligente Videoüberwachung / Polizei hat bereits 275 Teilnehmer rekrutiert
Seite an Seite zeigten sich am Freitag die Bürgerrechtler von Digitalcourage und die Berliner Polizei am Berliner Bahnhof Südkreuz. Hier wirbt die Polizei mit einem Infostand bei Pendlern dafür, sich freiwillig filmen zu lassen. Für 25 Euro sollen sich Pendler an einem mehrmonatigen Versuch zu intelligenter Videoüberwachung beteiligen. Das erkennt die Gesichter der Personen mit einer Software automatisch.
Die Aktivisten von Digitalcourage protestierten mit einem Infostand direkt neben dem der Beamten gegen das, was sie als »Werbung für den Überwachsungsstaat« sehen. Sie fordern die Berliner auf mit kreativen Kopfbedeckungen und online unter dem Hashtag »SelfieStattAnalyse« gegen die zukünftige automatische Erfassung ihrer Gesichter zu protestieren. Den Teilnehmern winken »Anti-Überwachungs-Preise«.
Die Polizei hat nach eigenen Angaben bereits genug Freiwillige rekrutiert. Bereits am Donnerstagabend, nach nur vier Tagen Suche, war die Marke von 275 der gesuchten Teilnehmer erreicht. Das Testprojekt der Bundespolizei zur Gesichtserkennungssoftware soll am 1. August beginnen und sechs Monate dauern. Von den Teilnehmern werden Fotos gemacht und die sonstigen Daten registriert. Ein bestimmter Bereich im Bahnhof wird dann mit Kameras gefilmt. Die Polizei will so feststellen, wie zuverlässig die Kameras und Computer die Testpersonen anhand der gespeicherten Fotos erkennen. Beteiligt an dem Probelauf sind auch das Bundesinnenministerium, die Deutsche Bahn und das Bundeskriminalamt. Mit der automatischen Gesichtserkennung will Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) künftig noch bessere Ergebnisse bei der Aufklärung von Straftaten erzielen.
Besorgt sind aber nicht nur die Aktivisten von Digitalcourage. Zumindest ein bisschen kritisiert auch die Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Andrea Voßhoff (CDU), das Testprojekt. Es sei »für sich genommen noch nicht als schwerwiegender Eingriff zu sehen«. Das ändere allerdings nichts an »grundsätzlichen Bedenken« gegen diese Technologie, so Voßhoff. »Sollten derartige Systeme später einmal in den Echtbetrieb gehen, wäre dies ein erheblicher Grundrechtseingriff,« erklärte Deutschlands oberste Datenschützerin. mit dpa
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