So jung wie nie
Gilberto Gil wird 75
Ohne seine Gitarre geht er nirgendwohin. Schon der Name klingt in den Ohren: Gilberto Gil. »Ich wusste immer, die Musik wird meine Sprache sein«, will er schon als Kind in der von Sklavennachfahren geprägten Stadt Salvador geahnt haben.
In Brasilien kennt fast jeder Gil, er gilt als einer der Besten und Populärsten des an tollen Musikern so reichen Landes - über 50 Platten hat er herausgebracht und vier Millionen Tonträger verkauft.
Heute wird er 75 Jahre alt und macht sich nach zuletzt mehreren schweren gesundheitlichen Problemen Gedanken über den Tod. Er wisse zwar noch nicht, ob er eine Beerdigung oder eine Einäscherung wolle, aber mit Blick auf das finanzielle wie musikalische Testament sagt er: »Ich bin vorbereitet, aus Respekt vor meinen Kindern.« Derer hat der Lebemann aus Bahia nicht wenige: Acht Kinder mit drei Frauen.
Während der Zeit der Militärdiktatur begründete Gilberto Gil Ende der 60er Jahre mit seinem Weggefährten Caetano Veloso den »Tropicalismo«. Nach dem Bossa Nova entstand eine neue, schnellere Samba-Variante, die internationale Pop- und Reggae-Elemente mitaufnahm.
Wegen seiner sozialkritischen Texte wurde der spätere Grammypreisträger 1968 von der Junta verhaftet. Er ging nach London ins Exil und kehrte erst nach fünf Jahren in die Heimat zurück. Im Exil beeinflussten ihn unter anderem Jimi Hendrix und die Beatles.
Zum Abschied ins Exil hinterließ er eine Hymne an Rio de Janeiro, »Aquele abraço« - das Lied wurde zum musikalischen Symbol des Kampfes gegen die Diktatur. Vor knapp einem Jahr hatte er - ganz in Weiß - einen seiner größten Auftritte, im August bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro. »Aquele abraço« eröffnete die Spiele.
Gil ist politisch, er kritisierte deutlich die Amtsenthebung der linken Präsidentin Dilma Rousseff. 2003 war er unter ihrem Vorgänger Luiz Lula da Silva der erste schwarze Kulturminister des Landes geworden - und haderte, weil er in Sachen Musik kürzertreten musste. »In vier Jahren habe ich nur zwei Lieder komponiert«, klagte er damals. 2008 war er dann wieder ganz Musiker.
Und er macht sich für die Freiheit des Internets stark, für das Teilen von Inhalten - er hat nichts dagegen, wenn seine Musik kopiert wird, und sieht Hacker als Aktivisten, »die den Computer als wunderbares Werkzeug der Kommunikation sehen«.
Ein Rebell ist Gilberto Gil bis heute - und einer der wichtigsten Vertreter der »Musica Popular Brasileira«, der brasilianischen Pop- und Volksmusik. Dass er immer noch auf der Bühne steht, könnte auch an seinem Lebenswandel liegen: viel Meditation und Yoga. Schon kurz vor dem 65. Geburtstag, dem sonst üblichen Rentenalter, sagte Gil in einem Interview: »Ich fühle mich so jung wie nie. Das liegt vielleicht daran, dass ich kein Marihuana mehr rauche.«
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