Das Ende vor dem Anfang
Kurz vor dem Start der Tour de France in Düsseldorf gibt es den ersten Dopingfall
Bestürzung, Ratlosigkeit, Häme: Die Dopingaffäre um André Cardoso hat die Tour de France schon vor dem Auftakt am Samstag in Düsseldorf kalt erwischt. Was als prächtiges, spektakuläres und vor allem sauberes Radsportfest am Rhein geplant war, bringt die Erinnerungen an alte, schlimme Zeiten zurück.
»Ich bin am Boden zerstört und möchte klarstellen, dass ich nie verbotene Substanzen eingenommen habe«, teilte Cardoso, Teamkollege des deutschen Radstars John Degenkolb bei Trek-Segafredo mit, nachdem seine positive A-Probe auf das Blutdopingmittel Epo bekannt geworden war: »Ich glaube an sauberen Sport und hoffe, die B-Probe spricht mich von jedem Fehlverhalten frei.«
Das Statement des 32-Jährigen, der bei der Frankreich-Rundfahrt als Helfer des spanischen Kapitäns Alberto Contador eingeplant war, liest sich wie ein »Best of« der tränenreichen Äußerungen unzähliger erwischter Sünder der vergangenen Jahrzehnte. Im Jahr 2017, in dem sich der Radsport geläutert und gesäubert wähnte, wirkt der Fall Cardoso aber völlig unverständlich.
»Wer sich heute noch mit Epo erwischen lässt, ist dumm«, hatte der Heidelberger Molekularbiologe Werner Franke gesagt. Nicht 2017, sondern bereits 2008. Fast ein Jahrzehnt später wird also der so erfahrene Cardoso, der seine zwölfte Profisaison im siebten Team fährt, im Training mit der Standardsubstanz erwischt. Ein stümperhafter Einzeltäter oder mehr?
Für sein Team ist es jedenfalls der GAU, Trek bestreitet die Tour nun mit der Eselskappe. Allerdings zeigte sich die Equipe im Umgang mit dem Fall Cardoso auch nicht allzu souverän. Auf der Homepage ist dieser mit keinem Wort erwähnt, zudem teilte Trek mit, dass sich Cardosos Kollegen um Degenkolb nicht dazu äußern werden. Lediglich in einem dürren Statement zeigte sich das Team erschüttert. »Wir sind tief betroffen«, hieß es da. Man fahre eine »Null-Toleranz-Politik«, habe »höchste Ethikstandards«, deshalb sei Cardoso sofort suspendiert worden. Es ist das alte Muster: Einem »Huch, wie konnte das denn passieren?« folgt in der Regel der Verweis auf die Individualverantwortung des Fahrers.
Cardoso ist raus, Cardoso wird ersetzt. Durch wen, das ist - gelinde gesagt - unglücklich: Ins Team rückt Haimar Zubeldia, ein 40 Jahre alter baskischer Kletterer, ein Relikt aus dunklen Tagen. Zwar gilt der Veteran selbst als unbescholten. Mehr noch: Er ist einer von nur zwei unter 21 Radprofis, die in der Zeit der sieben Siege von Lance Armstrong (1999 bis 2005) die Tour unter den Top 5 beendet haben und als unbelastet gelten dürfen. Doch Zubeldia diente loyal einer ganzen Reihe einschlägig überführter Kapitäne: Iban Mayo bei Euskaltel, Armstrong bei RadioShack, Alberto Contador schon bei Astana. Contador selbst, ansonsten durchaus mitteilungsbedürftig, äußerte sich zum positiven Test seines Helfers nicht.
Dafür teilte sich Oleg Tinkow mit. Der exzentrische Russe, Teamchef von Contador, ehe er sich Ende 2016 frustriert zurückzog, twitterte: »Hat Cardoso etwa sein Blut mit Contador vertauscht? Schämt euch, Trek!« Zudem solle Trek seinen Generalmanager Luca Guerchilana auswechseln, dieser sei ein »einfältiger Idiot«. Auch wenn die Worte Tinkows mit Vorsicht zu genießen sind, machen sie eines deutlich: Es gärt gewaltig unter der glänzenden Oberfläche des Düsseldorfer Tourauftakts. SID/nd
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