Polizei räumt Kiezladen in der Friedelstraße 54

Nach fünf Stunden Räumung verschaffen die Beamten dem Gerichtsvollzieher Zugang zum Laden

  • Alexander Isele und Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Nach über fünf Stunden Räumung verschaffte sich die Polizei um 13.12 Uhr Zugang zu den Räumen des linken Kiezladens »Friedel 54« in Neukölln. Nach jahrelangem Rechtsstreit um den Laden in Berlin-Neukölln begann am frühen Donnerstag Morgen der Polizeieinsatz zu der angekündigten Räumung. Die Polizei sperrte um 4.30 Uhr die Friedelstraße ab. Die letzten verbliebenen Autos wurden nach Angaben von nd-Reportern vor Ort abgeschleppt.

Der Sprecher des Kollektives, Matthias Sander, äußert sich entsetzt über die von der Polizei angewandte Gewalt bei der Räumung: »Wir sind wütend und traurig, dass heute der friedliche Protest und ziviler Ungehorsam so viele Verletzte nach sich gezogen hat. Ebenso sind wir wütend und traurig darüber, dass heute ein Teil subversiver Kiezkultur zwangsgeräumt wurde.« Für Sander ist die Räumung aber nur ein Moment im Kampf um die Stadt: »Diese Räumung ist noch lange nicht das Ende von einem Kampf für solidarische Kieze und eine Stadt von unten, denn dass es ein rebellisches Potenzial in der Nachbarschaft gibt, hat der Tag allemal gezeigt.«

Schon am Mittwochabend hatten sich hunderte, meist junge Demonstranten vor Ort versammelt. Am frühen Morgen forderte die Polizei die mehr als hundert verbliebene Demonstranten mehrmals auf, die Straße zu räumen. Viele hatten sich vor dem Haus Nummer 54 auf den Boden gesetzt. Die Situation war zunächst weitgehend entspannt.

Auch vor den Polizeiabsperrungen Ecke Weser/Friedelstraße versammelten sich zahlreiche Unterstützer des räumungsbedrohten Kiezladens. In dem Laden selbst hatten sich mehrere Aktivisten verbarrikadiert.

Etwa 150 Unterstützer blockierten mit einer Sitzblokade den Eingang zum Haus. Nach mehreren Räumungsaufforderungen, die im Lärm der Parolen der Unterstützer untergingen, begann die Polizei diese wegzutragen. Zuvor hatte sie Schaulustige und andere Unterstützer aus der Weserstraße gedrängt und dabei auch Journalisten behindert.

Bei der Räumung der Blockade vor dem Haus verlor offenbar eine Frau kurzzeitig das Bewusstsein, weitere Personen protestierten im Innenhof des Hauses mit einer Sitzblockade. Mit Kettensägen und einem Hammer versuchte die Polizei die Tür zum Kiezladen zu öffnen. Offenbar haben sich im Laden Aktivisten in die Wände einbetonniert und angekettet. Das zeigen Bilder vom Vormittag. Die Beamten warfen den Bewohnern auf dem Kurznachrichtendienst Twitter vor bei der Räumung einen Türknauf unter Strom gesetzt zu haben. Ein Sprecher der Friedelstraße 54 bestritt das im Gespräch mit dem »nd«.

Im Zuge der Räumung riefen die Bewohner des Hausprojektes am Donnerstagvormittag Unterstützer auf berlinweit zu protestieren und nicht an den Absperrungen in der Friedelstraße. Am Vormittag traf der Gerichtsvollzieher vor ein, der den Laden im Auftrag des Hauseigentümers räumen soll. Der Termin war seit längerem bekannt. Die Polizei leistet für den Gerichtsvollzieher Amtshilfe.

Der Laden in der Friedelstraße 54 wird von linken Gruppen für Versammlungen, Diskussionen, Filmvorführungen und zum Feiern genutzt. Es gibt unter anderem kostenlosen Mieterberatungen. Den Betreibern war der Gewerbemietvertrag gekündigt worden. In einem Vergleich mit der Eigentümergesellschaft hatte sich der Trägerverein des Kiezladens im Oktober 2016 vor Gericht verpflichtet, zum 1. April 2017 auszuziehen. Der Verein verließ das Haus allerdings nicht, so dass eine Räumung angekündigt wurde. Hintergründe zur Räumung haben wir in diesem Artikel aufgeschrieben.

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