»Wir werden kräftig protestieren«
Zwanzig Jahre nach der Rückgabe Hongkongs an China sind die Meinungen in der Wirtschaftsmetropole geteilt
In der Hongkonger Innenstadt wachen Polizisten derzeit an fast jeder Straßenecke. Denn Chinas Staatspräsident Xi Jinping besucht die aufmüpfige Finanzmetropole, um an Feierlichkeiten aus Anlass des 20. Jahrestags der Rückgabe der Stadt von Großbritannien an China teilzunehmen.
Hongkong gehört als Sonderverwaltungszone zum chinesischen Staatsgebiet, macht Xi jedoch wegen demokratischer Umtriebe immer wieder Sorgen. Vor gut zwei Jahren hatten protestierende Studenten monatelang die Innenstadt lahmgelegt. Sie forderten für die Wahl des Verwaltungschefs der Stadt die bisher nicht mögliche Aufstellung eigener Kandidaten. Das wurde nicht gewährt. Seitdem ist es zwar politisch ruhiger, doch die jungen Leute beharren darauf, die Demokratie in der Stadt weiterzuentwickeln - statt sie zurückzudrängen.
Präsident Xi wird gleichwohl bei seinem Besuch klarmachen, wer hier das Sagen hat. Er bringt feuerkräftige Unterstützung mit: Chinas Flugzeugträger »Liaoning« befindet sich auf dem Weg nach Hongkong, um dort patriotische Gefühle zu wecken. Die örtliche Garnison der Volksbefreiungsarmee wird vor Xi paradieren. »Xi wird Hongkong inspizieren«, drückte es die »Volkszeitung« aus.
Ganz störungsfrei wird diese Inspektion allerdings nicht ablaufen. Die Opposition hat bereits mit Protesten begonnen und plant eine ganze Reihe von großen Aktionen. So besetzten Mitglieder der pekingkritischen Partei Demosisto laut Polizeiangaben die goldene Bauhinien-Statue.
Dort hatten China und Großbritannien am 1. Juli 1997 die feierliche Übergabe der Stadt von einem Staat an den anderen besiegelt. Damals gab China das Versprechen, »ein Land, zwei Systeme« für 50 Jahre aufrecht zu erhalten: Sozialismus auf dem Festland sowie »ein hohes Maß an Autonomie«, u. a. freie Märkte sowie weitgehende Presse- und Meinungsfreiheit in Hongkong. Kritiker sagen: geblieben ist nur ein immer kälterer Kapitalismus.
»Wir werden kräftig protestieren«, hatte Demosisto-Frontmann Nathan Law angekündigt. Der aktuelle Zustand lasse sich mit »ein Land, anderthalb Systeme« beschreiben. Die Presse sei eingeschüchtert, die Politik sei von Peking ferngesteuert. »Wir müssen dagegenhalten!«, sagt Law. Der 23-Jährige war ein Anführer der Studentenbewegung und sitzt inzwischen im örtlichen Parlament. Wie Demosisto am Donnerstag mitteilte, wurden er und 25 weitere Demonstranten jedoch am Mittwochabend nach der Bauhinien-Besetzung von Polizisten abgeführt.
Die Stadtverwaltung befindet sich im Zwiespalt. Xi will und soll von den demokratischen Protesten möglichst nichts mitbekommen - aus seiner Sicht herrscht am besten Ruhe in der Stadt. Das Hongkonger Grundgesetz garantiert jedoch Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit. Law und seine Mitstreiter hätten also das Recht, im Rahmen einer angemeldeten Veranstaltung auf die Straße zu gehen.
Dieser Spagat wird auch Carrie Lam künftig beschäftigen, die künftige Verwaltungschefin der Stadt. Xi will am Samstag die Vereidigung der 60-Jährigen »beaufsichtigen«, wie die chinesischen Medien es nennen. Lam war im März gewählt worden.
Sie will mit Peking zusammenzuarbeiten und hat durchaus viele Hongkonger auf ihrer Seite. »Unsere Stadt ist stark abhängig vom Festland, das ist die Realität«, sagt Joseph Cheng, emeritierter Politologe und selbst in der Demokratiebewegung aktiv. Das Peking-freundliche Lager werbe zudem geschickt um Wähler. »Sie gehen von Tür zu Tür und fragen die alten Leute, ob sie etwas brauchen, damit gewinnt man Stimmen.« Die Stadt sei daher gespalten: Die älteren Bürger und die Wirtschaftsvertreter plädierten dafür, Xi nicht zu viel Ärger zu machen.
Viele junge Leute befürchten, so Cheng, »dass unsere Gesellschaft sonst genauso unfrei, engmaschig überwacht und kontrolliert wird wie die in China«.
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