Rätsel um Spannung an Türknauf
Die Vorwürfe, die Polizei sei bei der Zwangsräumung des Neuköllner Kiezladens Friedel 54 unnötig brutal vorgegangen, waren schon am Donnerstag laut geworden. Das ganze Ausmaß ihres Vorgehens zeigte sich auf einer Pressekonferenz, zu der die Bewohner am Samstag geladen hatten. Anschließend protestierten laut Polizei rund 700 Menschen gegen die Räumung.
Im Hof der Friedelstraße 54 war ein Holzzaun zum Nachbarhof teilweise zerstört, der Müll mindestens einer Tonne auf dem Rasen verteilt. Ein Bewohner berichtete von herumgeworfenen Fahrrädern und verwies auf die zerstörte Tür eines kleinen Kabuffs im Treppenhaus, in dem zudem ein Kinderwagen demoliert worden sei. Er zeigte auch ein durchgeschnittenes Fahrradschloss.
Herumgereicht wurde außerdem ein Bild, das der Filmemacher und Fotograf Matthias Coers von einem Kollegen geschossen hatte: Es zeigt große blaue Flecken auf dessen Oberarm. Coers selbst wurde trotz Presseausweises vor Beginn der Räumung vom Schauplatz gedrängt, sagte er dem »nd«. Er berichtet von Schlägen gegen Kopf und Kamera, wobei ein Stück seines Apparats abgebrochen sei. Fotograf Florian Boillot sagt, er sei in die Polizeikette an der Weserstraße gedrängt worden. Als er wieder vorgelassen worden sei, habe sich ihm ein Mitglied des polizeilichen Anti-Konflikt-Teams immer wieder vor die Kamera gestellt und ihn mehrmals geschubst.
Am Freitag relativierte die Polizei auf Twitter ihre am Donnerstag verbreitete Meldung, wegen eines unter Strom gesetzten Handknaufs habe »Lebensgefahr« für die Einsatzkräfte bestanden. Wegen eines eingeklemmten Stromkabels sei die Tür mit einem Spannungsprüfer untersucht worden. Dabei sei Spannung gemessen worden. Nach Betreten des Kellers sei allerdings festgestellt worden, dass das Kabel an keine Stromquelle angeschlossen war. Wie die Spannung am Knauf zustande gekommen sei, konnte ein Sprecher der Polizei dem »nd« auf Nachfrage nicht erklären.
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